End-to-End – und kein Ende in Sicht?

Eine nahtlose Abbildung des gesamten Reiseprozesses – End-to-End scheint so etwas wie der «heilige Gral» im Travel Management zu sein. Aber was sagen die Travel Manager dazu? Wie wichtig ist es wirklich, und wie weit ist man bei der Umsetzung? Business Traveltip hat bei fünf Profis nachgefragt.
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WAS IST EIGENTLICH END-TO-END?

Was unter End-to-End genau verstanden wird und welche Komponenten es beinhaltet, ist Definitionssache. Unsere Umfrage zeigt aber, dass die Travel Manager mehrheitlich vom Gleichen sprechen. «End-to-End beinhaltet die gesamte Dienstleistungskette. Es startet mit der Planung, geht weiter mit der Buchung, Reise und Abrechnung und endet mit dem Reporting. Die einzelnen Anbieter dazwischen sind nicht nur verbunden, sondern aufeinander abgestimmt», erklärt Andreas Gisler, Head Travel Management bei Swiss Re, seine Vorstellung von End-to-End.

Dominic Short, Global Category Manager Travel bei Takeda Pharmaceuticals, geht ins Detail: «Idealerweise fängt es bei der Stammdatenerfassung beim HR an. Diese fliessen dann in die Profile der Mitarbeiter im Expense Management Tool, weiter in die Profile der Online Booking Tools bei den TMC, von da sowohl direkt als auch via Kreditkarte ins Expense Management Tool und in die Buchhaltungs-Software. Und am Schluss ist alles ‹rekonzilliert› und dank der verschiedenen geschlossenen Kreisläufe auch auditierbar.»

Für Gabriel Peter, Head of Travel Management bei Actelion Pharmaceuticals, kommt noch ein weiteres Merkmal hinzu: «End-to-End bedeutet für mich eine A-bis- Z- bzw. Door-to-Door-Lösung, wenn möglich aus einer einzigen Quelle.»

WELCHE BEDEUTUNG HAT END-TO-END IN DEN FIRMEN?

«Bei uns hat es einen sehr hohen Stellenwert», sagt Piero Belsito, Head of Travel & Lodging bei Swisscom, «wir setzen seit Jahren auf Line Management und vereinfachen sämtliche Prozesse.» Ähnlich sieht es Gisler (Swiss Re): «Es geht nicht nur um Kosten- und Zeiteinsparungen, sondern vor allem auch um die Zufriedenheit der Reisenden. Wir wollen ein One-Stop- Shopping-Erlebnis zur Verfügung stellen, bei dem sich aus allen Anbietern (GDS, TMC, Drittanbieter wie Booking.com, OBE-Tools etc.) am Schluss ein grosses Ganzes ergeben.»

Andere relativieren. «Theoretisch unbedingt, praktisch dann gerne einmal», sagt Peter (Actelion). Und Adrian Witschi, Travel Manager Europe/EEMEA/AP beim Lebensmittelkonzern Mondelez, erklärt, dass nicht direkt das End-to-End-Thema im Vordergrund stehe, sondern vielmehr die Frage, «wie wir es unseren Mitarbeitern ermöglichen können, mit möglichst kleinem Aufwand und bestens informiert die nötigen Schritte zu durchlaufen – mit optimalem Preis-Leistungs-Verhältnis und den Richtlinien entsprechend.» Generell wird End-to-End als das Ziel angesehen, wohin sich das Travel Management bewegen muss.

WIE WEIT SIND DIE UNTERNEHMEN BEI DER UMSETZUNG?

Klar ist: Es handelt sich um ein äusserst langfristiges Projekt. «Für ca. 70% unseres Volumens haben wir den Prozess umgesetzt, den Rest müssen wir noch bauen. Gleichzeitig wechseln wir von diversen Expense Management Tools global auf Concur, und von einer regional geprägten Kreditkartenlösung global auf American Express», erläutert Short (Takeda). Systemvereinheitlichungen sind auch bei anderen Firmen ein Thema. «Als wir Cytric als Buchungstool einführten, war der Expense-Teil leider noch nicht ganz so weit, sodass wir nun im Travel-Bereich auf Cytric setzen und im Expense-Bereich auf Concur. Das ist eher suboptimal», erklärt Peter (Actelion).

Bei Swiss Re gibt es keine eigentliche Roadmap, man ist an mehreren Baustellen gleichzeitig dran. Swisscom konnte bereits viele Prozesse vereinfachen, sei es bei Buchungsportalen, Spesen und Reporting. «Gerade bei letzterem sehen wir aber noch
Potenzial. In der Mobilitätsstrategie 2020 werden wir die Mobilitäts-Kennzahlen und das Reporting generell neu erstellen», sagt Belsito. Mondelez konzentriert sich derweil auf die Schnittstelle «Kreditkarte zu Spesenabrechnung» sowie aufs Buchen/ Bewilligen/Bezahlen. «Der Buchungsschritt ist bei uns aber nicht mit der Spesenabrechnung verbunden. Da wir alle Lösungen global einsetzen, sehen wir bei dieser Integration noch keinen Mehrwert», so Witschi.

WO GIBT ES STOLPERSTEINE?

Keine Frage: Das Vereinheitlichen und aufeinander Abstimmen der Prozesse ist ein ungemein komplexes Projekt. «Das Abstimmen der Systeme ist sehr zeitintensiv. Ich baue seit Monaten an Schnittstellen, um im Rahmen der Implementierung des Business-Travel-Accounts die Datenflüsse ins Buchhaltungssystem im Griff zu haben», sagt Short (Takeda).

Für Witschi (Mondelez) ist vor allem der globale Aspekt eine Herausforderung: «Nur auf ein Land bezogen, gibt es keine Stolpersteine. Global sieht das aber anders aus: Die Konfiguration von SAP für die Implementierung des Spesenabrechnungs-Systems, die Verfügbarkeit von Kreditkartenlösungen und der Management- Support für die Eliminierung der Kreditorenbuchhaltung im Abrechnungsprozess können solche Stolpersteine sein.»

Belsito (Swisscom) sieht bei der Datenqualität im Reporting noch Herausforderungen. «Die Kreditkarten-Anbieter können keine Level-2- und Level-3-Daten liefern; heute muss man diese Daten noch manuell anreichern.»

Generell scheinen die Anbieter noch nicht das Ei des Kolumbus gefunden zu haben, wie Belsito weiter ausführt. «Sie bieten oft nur halbe Lösungen an, wichtige Kernstücke fehlen immer wieder. Ein Beispiel: Booking.com ist in Concur Travel integriert, aber das Reisebüro kann noch keine Umbuchungen oder Annullationen im Auftrag des Reisenden vornehmen, und es werden auch keine Daten ans Security Traveller Tracking weitergeschickt.» Ähnliche Kritik kommt von Gabriel Peter von Actelion: «Die Player auf dem Markt versprechen meistens einiges mehr, als dann schliesslich umgesetzt werden kann.»

WER HAT DEN LEAD?

Sowohl die «technische Seite» mit Vertetern wie Amadeus und Concur, als auch die Travel Management Companies (TMCs) treiben die End-to-End-Entwicklung mit Hochdruck voran. Wer hat in den Augen der Travel Manager die besseren Karten?

«Im Lead sehe ich die IT-Provider wie Amadeus/i:FAO, Concur, Egencia etc. Natürlich aber in Zusammenarbeit mit den Kreditkarten-Providern, TMC und den Travel Managern», sagt Belsito (Swisscom). Short (Takeda) ergänzt, dass bei den Technologiefirmen auch schlicht mehr Geld vorhanden sei als bei den TMCs.

Grundsätzlich sind sich die Travel Managers aber einig, dass ein Konkurrenzkampf zwischen den beiden Seiten nicht zielführend ist. «Für einen vollständigen End-to-End-Prozess müssen alle Beteiligten am gleichen Strick ziehen. Eher ein Ding der Unmöglichkeit», so Gisler (Swiss Re), «die TMCs spielen sicherlich eine zentrale Rolle und könnten eine bedeutendere Stellung einnehmen. Dazu müssen sie sich aber noch stärker neuorientieren. Vielleicht eine mögliche Chance für TMCs?»

WIRD EINE 100%IGE END-TO-ENDLÖSUNG JEMALS MÖGLICH SEIN?

«Technisch: Ja», meint Gisler (Swiss Re), «die Frage ist nur, wie flexibel und wie gross das Interesse einzelner Anbieter in dieser Dienstleistungskette ist.» Für Witschi von Mondelez ist dieses Ziel im Bezahl- und Spesenbereich realistisch, da dort die Anforderungen ziemlich konstant sind. «Bei der Buchung sieht das aber anders aus. Die Aufbereitung der Angebote ist im steten Wandel, das ist kostenintensiv. Es stellt sich die Frage, ob es für eine einzige Technologiefirma längerfristig finanziell tragbar ist.»

Takeda arbeitet gezielt darauf hin, räumt aber auch ein, dass man im Vergleich zu anderen Unternehmungen im Rückstand sei und global noch mit 70 TMCs arbeite – der Weg ist als noch weit. Belsito von Swisscom ist überzeugt, dass eine 100%-Lösung technisch möglich und auch wirtschaftlich sinnvoll sein kann; ebenso wie Peter (Actelion), die lakonisch anfügt: «Man könnte meinen, in der heutigen Zeit müsste es bereits längst möglich sein.»