«Es kommt kein Prinz dahergeritten»

Zwei Powerfrauen erklären, warum man sich seine Karriere schon selber erkämpfen muss.

Wer modernen Powerfrauen die Geschlechterfrage stellt, erntet immer öfter ein gelangweiltes bis leicht genervtes Lächeln. Viele können es einfach nicht mehr hören. Und trotzdem: Weibliche Karrieren – vor allem im Vergleich zu männlichen – sind immer noch ein Diskussionsthema. Auch und gerade in der MICE-Branche.

«Der Frauenanteil in unserem Umfeld ist insbesondere im Hospitality und Kongressbereich sehr hoch», sagt Carole Ramuz, Präsidentin des Schweizer Live-Kommunikations-Verbands Expo-Event sowie Mitinhaberin und CEO der Zürcher Event-Agentur Brandsoul AG. Verlässliche aktuelle Zahlen zum Thema Frauen und Männer in der MICE-Branche gebe es derzeit zwar noch keine. Aber das will Expo-Event mit seiner nächsten «Eventklimastudie», die 2016 erscheint, ändern.

Sales, Marketing, Organisation, Administration – viele Projektleiter sind Frauen. Denn das MICE-Business ist ein People-Business und die persönliche Ebene, das genaue und zuverlässige Arbeiten sowie der Service-Gedanke lägen Frauen generell, auch wenn es wie ein Klischee klinge, so Ramuz. Männerorientiert seien naturgemäss Veranstaltungstechnik und Messebau.
Aber: «Auch in der MICE-Branche gibt es in Führungspositionen wie überall leider wenig Frauen», sagt die 43-jährige Mutter eines Sohnes. Für sie ist klar, woran das liegt: «Viele Frauen trauen sich zu wenig zu, sie haben nicht die Zuversicht, dass man in eine Führungsrolle auch hineinwachsen kann.»

Zudem gingen viele Frauen fälschlicherweise davon aus, dass sie entdeckt würden. «Aber es ist nicht so, dass irgendwann ein Prinz auf einem Schimmel daherreitet und einem eine Führungsposition anträgt. Diesen Schritt muss man selber tun», weiss Ramuz. Nicht gerade hilfreich seien natürlich die recht familienfeindlichen Faktoren der MICE-Branche: Druck, Stress, unregelmässige Arbeits- und temporär unterschiedliche Belastungszeiten.

Klare Worte, gut verpackt
«Wenn ich doch nur ein Mann wäre» – solche Sätze hasst Sandra Mürlebach- Brändle wie die Pest. Auch das Wort Frauenquote bereitet der umtriebigen und aktiven Karrierefrau Bauchschmerzen. «Jammern hilft nichts», sagt die Präsidentin des Event Management Circle (EMC) und Partnerin bei der Eventbüro GmbH in Oetwil an der Limmat knallhart. «Es gibt meistens einen Grund, warum jemand eine Führungsposition inne hat oder ein besseres Gehalt bekommt. Entweder, er arbeitet besser, hat ein besseres Netzwerk oder war zur richtigen Zeit am richtigen Ort», so die Erfahrung der 46-Jährigen. Ihr Tipp: «Man muss eben auch mal hart sein.»

Selbst wenn Frauen für ihr Einfühlungsvermögen bekannt und geschätzt seien: Ein klares Wort – dem Kunden und den Mitarbeitenden gegenüber – sei unabdingbar, um als Führungsperson ernst genommen zu werden, findet die EMC-Präsidentin. «Durchsetzungsvermögen ist wichtig, man kann nicht jedermanns gute Freundin sein.» Den Willen und die Begabung zum Teamplay müsse man in der Branche, in der man mit so vielen Partnern auf allen Seiten zusammenarbeitet, aber trotzdem unbedingt haben. «Die Kunst ist, klare Worte gut zu verpacken und mit der richtigen Portion Witz zu platzieren», fasst sie zusammen.

Der Mut zur Selbstständigkeit
Die Karrieren der zwei Schweizer Powerfrauen ähneln sich in gewisser Weise. Beide haben die unterschiedlichsten Branchen und Seiten kennengelernt und haben sich getraut, sich selbstständig zu machen. Sandra Mürlebach- Brändle wechselte vom Produktmanagement in der Medizintechnik zur Eventabteilung einer globalen Unternehmung, organisierte Kongresse für Verbände, holte sich bei Marbet Agenturerfahrung und stellte schliesslich vor zwei Jahren gemeinsam mit zwei Partnern etwas Eigenes auf die Beine. Und sie engagiert sich seit zehn Jahren im Event Circle, der durch gehaltvolle Events den Austausch innerhalb der Eventbranche fördert und sich für das Thema Ausbildung stark macht.

Die Mischung macht es aus
Carole Ramuz hatte über zehn Jahre lang eine eigene Firma für Organisationsentwicklung, hat Projekte geleitet, war im Qualitätsmanagement und Beratungsbereich tätig. Seit ein paar Jahren ist sie Co-Chefin bei Brandsoul und seit zwei Jahren im Präsidium von Expo-Event. «Der Vorstand hat es gerne gesehen, dass eine Frau kommt», erinnert sich Ramuz. Schon häufiger war und ist sie die einzige Frau in Männerteams. Ihre Erfahrung damit beschreibt Ramuz positiv: «Eine Frau ist in einem Männerteam eine gute Abwechslung, der Umgang ändert sich automatisch.» Auch habe sie viel Rücksicht erfahren und die Männer als Gentlemen erlebt. Generell sieht Ramuz eine Mischung aus Mann und Frau immer als positiv für ein Team an. «Jeder bringt andere Inputs und damit eine breitere Diskussionsgrundlage ein», findet sie und bestätigt nebenbei das Klischee, dass Frauen oft diplomatischer seien als Männer.

Was verstehen die beiden Frauen eigentlich unter guter Führung? Für Mürlebach-Brändle ist es (nicht nur im Eventbereich) entscheidend, den Überblick zu bewahren, nicht bei jeder Kleinigkeit auszuflippen und mit einem gesunden Mass an Coolness den Mitarbeitern Sicherheit zu vermitteln. Und Ramuz‘ Erfolgsrezept: Dienstleister sein. Mit allen Sinnen arbeiten. Und: Auf das Zielpublikum einstellen. Das gelte für Führungskräfte ebenso wie für alle anderen.

Sandra Mürlebach-Brändle (Partnerin Event Büro GmbH) & Carole Ramuz (Mitinhaberin und CEO bei derBrandsoul AG für Live Communication in Zürich)