«Wir stehen in Konkurrenz mit Barcelona oder Dubai»

Reto Branschi, CEO von Destination Davos Klosters, über die schwierige Wintersaison, Davos als Kongressdestination und Aussichten für die Zukunft.
RB

Herr Branschi, welche Bilanz ziehen Sie für die Wintersaison 2015/16?

Der späte Schneefall und die hohen Temperaturen zu Beginn der Saison haben den Start sehr erschwert. Obwohl unsere Pisten schon früh im top Zustand waren, wurde dies lange Zeit nicht überall wahrgenommen. Davos befindet sich aber in der glücklichen Situation, dass sehr viele Events stattfinden, unabhängig vom Wetter. Wir sagen ganz selbstbewusst: «Zermatt hat das Matterhorn, wir haben Events.» Anfang Dezember fand der Blick-Langlaufevent mit 3000 Teilnehmern statt, danach folgte der AO Kongress mit 3000 Teilnehmern, es folgte der Langlauf Weltcup Davos Nordic, dann ging es nahtlos weiter in den Spengler Cup. Dennoch war Weihnachten und Neujahr dieses Jahr etwas schwieriger. Wir hatten tatsächlich noch freie Betten. Anderen Skiorten ging es aber ähnlich.

Wie entwickeln sich die einzelnen Quellmärkte?

In Graubünden schneidet Davos im Vergleich zu den anderen Skiorten nicht so schlecht ab Doch die Nahmärkte sind Deutschland und Italien, die beide sehr preisaffin geworden sind. Der SNB-Entscheid zur Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses im Januar 2015 war der Tropfen, der das Fass auch bei den Schweizern zum Überlaufen brachte. Diesen Winter sind die Gäste tatsächlich nach Österreich abgewandert. So habe ich in einer Mitteilung gelesen, dass St. Anton diesen Winter 20% mehr Schweizer verzeichnete. Dennoch ist der Schweizer uns treu. Wir wiesen in den Monaten November bis Februar ein Plus von 1,44% auf, bei den Deutschen aber ein Minus von 24%.

Wie sieht es mit dem asiatischen Markt aus?

Wir setzen tatsächlich auf den asiatischen Markt und sind seit drei Jahren zusammen mit der RHB und St. Moritz in China präsent. Ich war selber einige Male am WEF in China und konnte dort mit chinesischen Tour Operators sprechen, die daran interessiert sind, Reisen abseits des Mainstreams anzubieten. Dieser Markt wächst bei uns im 20%-Bereich, aber natürlich basierend auf einem niedrigen Niveau. Diesen Winter hatten wir praktisch jede Woche eine chinesische Gästegruppe in Davos, die ein Woche zum Ski fahren kam. Für die Repeater ist Davos in dem Sinn spannend, weil es die Kombination von Stadt und Land bietet. Ein interessanter Markt ist auch der Nahe Osten. Aber diesen können wir erst bearbeiten, seit wir über die neuen, grossen Kettenhotels verfügen, denn dieser Gast möchte Luxus pur. Die Araber geniessen es – im Gegensatz zu andern Gästen –, wenn es regnet und kalt ist. Sie suchen aber auch die medizinische Infrastruktur, die wir ihnen bieten können. Wir geben aber den deutschen Markt auf keinen Fall auf, sprechen dort hingegen gezielter das obere Segment an.

Die Wintersaison wird je länger je unsicherer, was den Schnee betrifft. Gibt es Strategien, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen?

Das Schweizerische Lawinenforschungsinstitut SLF hat in einer Studie bescheinigt, dass Davos aufgrund der Höhenlage gute Chancen auf Schneesicherheit bis ins Jahr 2050 hat. Natürlich muss man sich Gedanken machen, aber wenn bei den Gästen das saisonale Denken verankert ist, bringt es wenig, gegenläufige Strategien zu fahren. Gerade diesen Winter konnte Davos die Schneesicherheit garantieren. Wir verfügen auch über das nötige Wasser, um die Pisten perfekt beschneien zu können. Aber: Wir als Tourismusorganisation können nur vermitteln. Hauptsächlich müssen sich diejenigen Gedanken machen, welche die Investitionen tätigen, sprich Hotellerie, Bergbahnen, Gemeinden etc.

In den letzten Jahren wurden in Davos mehrere neue Hotels eröffnet. Wie können die zusätzlichen Betten auch ausserhalb des WEF gefüllt werden?

Die Kettenhotels haben eigene Buchungskanäle, mit denen sie ihre Kunden ansprechen. Wir haben uns auch erhofft, dass sie nicht der bestehenden Hotellerie die Gäste abspenstig machen.Aber in der Low Season können die grossen Hotels dank Yield Management Preise anbieten, mit denen ein normales Hotel nicht mithalten kann. Aber es ist schon so, in gewissen Zeiten haben wir heute zu viele Kapazitäten. Doch hätten wir diese Hotels nicht, hätten wir auch den einen oder anderen Kongress nicht mehr, wie z.B. das WEF. Wir können in der Hotellerie auch in der Zwischensaison 1000 Betten anbieten. Das Gebilde aus Kongress, Events und Feriendestination benötigt in den Spitzenzeiten eine Kapazität von rund 7500 Betten, die wir bereitstellen können.

Das WEF ist für Davos der wichtigste Event im Jahr. Haben Sie keine Angst, dass der Standort irgendwann in Frage gestellt wird?

Im Moment bleibt das WEF laut Vertrag bis 2018 in Davos. Ich bin der Meinung, Davos hat als Standort sehr viele Vorteile. So ist es, z.B. was die Sicherheit betrifft, hervorragend gelegen. Es gibt drei Zufahrtsachsen, die man gut kontrollieren kann. Aber selbstverständlich muss sich Davos Mühe geben, am Ball bleiben und ein verlässlicher Partner sein. Das WEF ist, mit Ausnahme eines Jahres, seit 45 Jahren in Davos. Selbstverständlich könnte es einmal von Davos wegziehen, doch wenn wir diesbezüglich Strategien entwickeln würden, wäre dies ein falsches Signal gegenüber unserem wichtigsten Partner. Aber man muss auch sehen, dass das WEF mit dem ganzen Aufbau uns einen Monat für andere Anlässe blockiert. Das heisst, falls das WEF tatsächlich wegfallen würde, könnte man für den Januar zwei oder sogar drei
andere Events gewinnen. Diese würden die Lücke im Kongresszentrum sicherlich füllen, in der Hotellerie und Gastronomie hingegen niemals.

Wie wichtig ist das MICE-Geschäft für die Destination Davos Klosters?

Das MICE-Geschäft sorgt sozusagen für ein Grundrauschen. Dabei handelt sich ungefähr um 10% aller Logiernächte in Hotels und Ferienwohnungen, wobei selbstverständlich nicht alle Hotels gleich vom Kongressbusiness profitieren. MICE ist ein wichtiges Business. Es ist weniger währungsund vor allem nicht wetterabhängig.

Wie hoch ist die Wertschöpfung aus diesem Segment?

Der Umsatz während des WEF ist enorm, aber die Anforderungen sind auch entsprechend. Der ehemalige Direktor des Hotels Seehof sagte z.B., dass er zwar während des WEFs einen Drittel des Jahresumsatzes generiere, aber die Aufwände und Kosten auch wesentlich höher seien – v.a. durch mehr und teureres Personal. Um Zahlen zu nennen: Wir generieren im Kongressbereich CHF 100 Mio. Wertschöpfung, insgesamt sind es CHF 950 Mio.

Wo positioniert sich Davos im Kongressbusiness?

Dank einem hervorragenden Produktund Leistungsangebot und einer sehr guten Reputation wie z.B. das WEF, AO und vieler anderer namhafter Veranstaltungen steht Davos in Konkurrenz mit internationalen Städten wie Barcelona, Prag oder Dubai. Davos ist aus dem Kongressbusiness heraus gewachsen und völlig auf dieses ausgerichtet. Beim Ausbau hat man die Anforderungen der Kongresse immer berücksichtigt. Bei eintägigen Events können wir aufgrund der Anreise nicht mithalten, aber sobald es mehrere Tage sind, ist Davos wieder im Spiel.

Ist es nicht schwierig, so unterschiedliche Destinationen wie Davos bzw. Klosters gleichzeitig zu positionieren und zu vermarkten?

Gottseidank handelt es sich um zwei sehr unterschiedliche Destinationen. So kann sich jeder vom anderen abheben. Man darf nicht vergessen, dass Klosters jetzt im Fahrwasser von Davos segelt und dort präsent sein kann, wo es alleine nie wäre. Ich bin überzeugt, dass sich Davos und Klosters perfekt ergänzen: Klosters klein und beschaulich, Davos gross und vielfältig. Aber Klosters ist aufgrund der vielen Zweitwohnungsbesitzer momentan in einer schwierigen Situation. Die Gäste suchen die Ruhe, was es schwierig macht, Events zu organisieren. Zu bedenken ist auch, das Davos 13000 Einwohner hat, Klosters hingegen nur 4000. Mit 4000 Einwohnern ist es nicht einfach, die Restauration zehn Monate zu betreiben.

Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Zukunft?

Ich gehe davon aus, dass wir im Sommer die Talsohle erreichen werden. Rückmeldungen von Gästen bringen mich zu diesem Schluss. Diese berichten uns, dass sie zwar dieses Jahr nach Österreich gereist seien, aber in Zukunft wohl wieder in der Schweiz bleiben. Ausser in der Gastronomie seien die Preise ähnlich, man müsse Schlange stehen und finde keinen Tisch in den Restaurants. Es zeigt sich auch, dass die Zahl der Schweizer trotz hohem Niveau zunimmt. Wahrscheinlich wird der Sommer nochmals schwierig, basierend auf den Logiernächten funktioniert der Sommer aber gut. 2006 haben wir das «Davos Klosters Inklusive Angebot» eingeführt, welches beinhaltet, dass bei jeder Übernachtung die Bergbahnen kostenlos genutzt werden können. Experten sagen uns, dass wir zu den besten Bike-Destinationen mit den 600km Singletrails gehören. Letztes Jahr haben wir das Sommergästeprogramm massiv ausgebaut. Es gibt ca. 700 Veranstaltungen, die den ganzen Sommer über täglich kostenlos stattfinden – selbst wenn nur eine Person gebucht hat. Im Winter können wir, glaube ich, die Zahlen halten, worüber man heute leider auch schon froh sein muss. www.davos.ch/meetingplace

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