Ausbildungsstart zwischen Reisevirus und Zukunftssorgen

Was bewegt junge Menschen, eine Reisebürolehre zu beginnen?

Interesse für die Reisebranche und den Tourismus, Freude am Kundenkontakt, Dienstleistungsbereitschaft, gute Ausdrucksfähigkeit, gute Umgangsformen, Einfühlungsvermögen, Organisationstalent, Zuverlässigkeit, Sozialkompetenz, gute Fremdsprachenkenntnisse, fundierte Geografiekenntnisse, breite Allgemeinbildung sowie ansprechende Noten … Die Anforderungen in den Stellenausschreibungen an die Lernenden in den Reisebüros sind hoch. Kein Wunder berichtet Beat Knecht, Ausbildungschef beim Schweizer Reise- Verband (SRV), dass die Reisebüros die Bewerber nicht mehr «wie Fische aus dem Teich ziehen können». Zum einen gibt es immer weniger Ausbildungsplätze, und zum anderen scheint die Reisebürolehre nicht mehr dermassen beliebt zu sein wie auch schon. Kratzen Negativmeldungen wie Stellenabbau, Abteilungs- und Filialschliessungen am Image der Reisebranche? Reden die Eltern den Jugendlichen ins Gewissen, sich eine Stelle mit grösseren Aufstiegs- und Weiterbildungschancen sowie einem besseren Salär zu suchen? Gilt der Tourismus- Sektor in Zeiten von Terror und globalen Wirtschaftskrisen allgemein als zu unsicher?

Samira Keller beginnt ihre Lehre nun bei Knecht Reisen in Aarau und lässt sich von solchen Aussagen nicht beirren. «Spezialisten und Reiseexperten werden immer benötigt», zeigt sich die 15-Jährige überzeugt. «Ich freue mich darauf, meine Geografiekenntnisse zu vertiefen und mehr über Kulturen, Länder und Leute zu erfahren.» Sie könne es kaum erwarten, Freude zu vermitteln, wenn sie die Reisewünsche der Kundschaft realisiere.

Für Selina Häfliger, ab Mitte August im dritten Lehrjahr bei Natural Reisen in Biel, ist ihre Tätigkeit nach wie vor eine «Traumlehre». Dabei musste sie selbst erfahren, zu welchen Umwälzungen es innerhalb der Branche kommen kann: Als die SBB ankündigte, keine Reisebüros mehr unterhalten zu wollen, brach für sie eine Welt zusammen und sie befürchtete, die Lehrstelle zu verlieren. «In solchen Momenten kommen klar Zweifel auf, ob man sich für den richtigen Beruf entschieden hat, Zukunftsängste werden dann ganz real», berichtet die heute 18-Jährige. Obwohl ihr aus dem Kollegenkreis und von Verwandten nahegelegt worden war, ihre Berufswahl gründlich zu überdenken, kam für sie keine andere Alternative in Frage. Die Reisebürolehre sei zwar eine Herausforderung, jedoch vielfältig und spannend.

Zu denken gibt Knecht vom SRV, dass etliche Lehrabgänger nicht in der
Branche gehalten werden können,sondern sie oft bloss als Sprungbrett in ein lukrativeres Berufsumfeld dient. «Einige Lernende denken bloss für die nächsten drei Jahre: Hauptsache das QV (Qualifikationsverfahren) bestehen, anschliessend ist alles offen», sagt er. Es sei schwierig, die jungen Fachkräfte in der Branche halten zu können. Das Elementarste der Branche fehle bisweilen: der Reisevirus.

Elisha Schuetz