Darf’s ein bisschen mehr sein?

Neue Luxus-Kreuzfahrtschiffe wollen die ganz feine Art der Schiffsreise nochmals toppen. Was zeichnet Luxus auf See eigentlich aus?
Auftakt
Infinity-Pool auf der Seven Seas Explorer.

Wird in der Werbung für eine Schnäppchen-Kreuzfahrt von einem «Luxusschiff » gesprochen, ist meist Vorsicht geboten. Längst nicht alles, was unter diesem Begriff angepriesen wird, entspricht den Erwartungen, die ein echtes Luxusprodukt wecken darf. Tatsächlich sind von den fast 300 international vermarkteten, ozeangängigen Kreuzfahrtschiffen weltweit nur etwa 20 Einheiten wahre Luxusliner – bezogen auf die Kapazitäten (Anzahl Betten) ist das Verhältnis noch eklatanter.

Luxusschiffe betreiben vor allem die Reedereien Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, Sea Cloud Cruises, Crystal Cruises, Regent Seven Seas Cruises, Silversea Cruises, Seabourn und Seadream Yacht Club. Diese Kreuzfahrt- Anbieter verfügen über Schiffe, die zwischen 64 (Sea Cloud) und 1090 Passagiere (Crystal Serenity) aufnehmen – im Schnitt somit einige Hundert, während es im Volumenmarkt einige Tausend sind. Luxusschiffe gehören deshalb zur Kategorie der Boutique-Schiffe oder kleinen Einheiten. Dass die Inneneinrichtung und Ausstattung solcher Schiffe elegant-luxuriös, mit hochwertigen Materialien umgesetzt und design-orientiert ausfällt, ist Teil des 5-Sterne-Anspruchs und mit Luxushotels an Land vergleichbar.

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten
Suite auf der Europa 2.

MERKMAL SCHIFFSGRÖSSE

Die Schiffsgrösse ist denn auch eines der Merkmale für wahren Luxus auf See: Solche Schiffe können kleinere Häfen anlaufen, in verschwiegenen Buchten ankern und oft näher beim Stadtzentrum anlegen als die grossen Megaliner. Dies hat interessante Routenpläne mit individuelleren, exklusiveren Landgängen zur Folge, die sich vom Mainstream unterscheiden. Andererseits liegt es auf der Hand, dass auf kleineren Schiffen die Auswahl an Restaurants, Bars, Lounges, Sport-, Fitness- und Unterhaltungsmöglichkeiten zwar absolut gegeben ist, aber selbstverständlich nicht mit derjenigen auf einem modernen Mega- oder Gigaliner verglichen werden kann.

Trotz der relativ bescheidenen Gesamtgrösse der Schiffe sind die Kabinen und Suiten von Luxuslinern in der Regel grosszügig bis sehr grosszügig bemessen und verfügen – ausser bei ganz speziellen Boutique-Schiffen wie den Megayachten von Seadream oder den Grossseglern von Sea Cloud – meistens über einen Balkon. Geklotzt wird gerne mit der grössten Suite, die oft mehr als 100 m2 aufweist und gar bei Seadream noch mit 45 m2 angegeben wird. Bei der Einrichtung fehlt es von der Qualitäts-Matratze bis zu den Bulgari- oder L’Occitaine- Produkten im Bad an nichts.

Setzt man die Grösse eines Schiffes (gemessen in BRZ, Bruttoraumzahl) in ein Verhältnis zur Passagierzahl (Pax), kommt man einem anderen wichtigen Luxus-Kriterium auf die Spur: Je höher diese Verhältniszahl (Ratio), desto mehr Raum steht dem einzelnen Passagier zur Darf’s ein bisschen mehr sein?Verfügung. Und da der Raum auf einem Schiff per Definition limitiert ist, heisst mehr Raum eben auch mehr Luxus. Diese Verhältniszahl (BRZ geteilt durch Pax) liegt bei Luxuslinern zwischen 40 und 80 – mit 83 ist die Europa 2 von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten das Schiff mit dem grosszügigsten Raumverhältnis. Im Volumenmarkt ist eine Bandbreite von 30 bis gut 40 Usanz.

WICHTIGE «SOFTWARE»

Die Schiffsgrösse, resp. die limitierte Passagierzahl, ist aber auch in Bezug auf die «Software» wichtig: Ein hoch professioneller und persönlicher Service, der kein «Nein» kennt, kann eher bei einigen Hundert Passagieren gewährleistet werden als bei einigen Tausend. Auch hier ist eine Verhältniszahl von Interesse, nämlich diejenige zwischen Crew und Passagieren. Bei Luxusschiffen kommen auf ein Crew-Mitglied zwischen 1,2 bis 1,7 Passagiere – im Volumensegment sind es zwischen 2 und 3.

Es versteht sich von selbst, dass ebenfalls die Küche an Bord eines Luxusliners eine sehr wichtige Rolle spielt. Gourmet-Dining kann überall erwartet werden, und zwar nicht nur in Bezug auf Kaviar, Foie Gras und Hummer, sondern auf gastronomische Erlebnisse und Entdeckungen generell, die eine moderne, authentische und kreative Cuisine ausmachen. Überall werden mzudem in Spezialitäten-Restaurants landestypische oder thematische kulinarische Höhenflüge zelebriert. Bei einigen Luxus-Reedereien sind zudem Weine (und oft auch die Bargetränke) im Preis inbegriffen – das gilt auch für das Trinkgeld. All-Inclusive kennt man u.a. bei Crystal, Regent Seven Seas, Seadream, Seabourn und Silversea – da und dort zwar mit einem limitierten Angebot, d.h. die hochwertigsten Marken und teuersten Jahrgänge müssen berappt werden.

NEUE LINER IM BAU

Wie bereits erwähnt: Die Zahl solcher Luxusliner ist beschränkt. Und während die Expansion der Kapazitäten im Volumenmarkt mit einer beeindruckenden Zahl von stets neuen Mega- und Gigalinern auf Hochtouren läuft, sind neue Schiffe im 5-Sterne- Segment rarer. Der letzte neue Luxusliner war vor zwei Jahren die Europa 2 von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, die neue Massstäbe als legeres Top-End-Produkt setzt und vom «Berlitz Cruise Guide» als bestes Kreuzfahrtschiff der Welt bezeichnet wird.

Doch inzwischen ist auch das Luxus-Segment in Bewegung geraten: In den nächsten Jahren werden sieben neue 5-Sterne-Schiffe in Betrieb genommen, die von den Reedereien zum Teil sehr selbstsicher angekündigt werden und nichts weniger als neue Standards setzen wollen. Den Auftakt machen im nächsten Jahr die Seven Seas Explorer und die Seabourn Encore, ein Jahr später folgt die Silver Muse von Silversea und 2018 ein zweiter Neubau für Seabourn, die Seabourn Ovation.

Den Vogel abgeschossen hat diesen Sommer aber Crystal Cruises mit der Option auf drei neue 100000 BRZ-Luxusschiffe – der erste Neubau soll 2018 in See stechen. Bereits Ende dieses Jahres nimmt Crystal zudem mit der Crystal Esprit ein (umgebautes) Boutique-Schiff für 62 Passagiere in Dienst. Kurz: An aussergewöhnlichen, «echten» Luxus- Schiffen wird es auch in Zukunft nicht mangeln.

Diese neuen Luxusliner stechen bald in See