Durch die Schluchten des Yangtze

Eine eindrucksvolle Flussreise mit der komfortablen President No. 7 von Yichang bis Chongqing – inklusive des weltgrössten Staudamms.
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Mit jubelnder Fröhlichkeit werden wir nach Mitternacht von der jungen Crew an Bord der President No. 7 begrüsst. «Welcome–Willkommen!», rufen sie durcheinander. Sie sind glücklich, ihr frisch gelerntes Englisch und Deutsch anbringen zu können. Später erfahren wir, dass fast alle diese begeisterten jungen Menschen von Hotelfachschulen aus Städten am Yangtze kommen. Längst sind die Koffer in den Kabinen, die mit heller Freundlichkeit überraschen. Alle haben Balkon mit zwei Korbsesseln. Geweckt wird am Morgen mit klassischer Musik aus dem Kabinenlautsprecher. Das Buffet bietet alles, was unser Frühstücksherz begehrt, aber auch Nudelsuppe und Teigtaschen für Chinesen, die Mehrzahl der rund 400 Passagiere.

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Reizend-aufmerksame Bedienung im eleganten Restaurant.

Nach der Flutung

Gleich nach dem Frühstück führt der erste Ausflug zu Fuss in eine romantische Seitenschlucht. Malerisch sitzen oder stehen Frauen und Männer jeden Alters in farbenfroher Kleidung auf Dschunken-ähnlichen Booten und auf Brücken, spielen Musikinstrumente oder waschen Wäsche. Wasserräder aus Bambus drehen sich, Fischnetze hängen über dem Wasser. Alles Kulisse. Die fotogenen Szenen werden als Touristenattraktion von den «hoch gesiedelten» Bewohnern der gefluteten Dörfer dargestellt. Überholt werden wir im Laufschritt von einer älteren Kanadierin, die nur mühsam gehen kann. Sie wird von zwei Chinesen in einer aus Bambus geflochtenen «Sänfte» getragen. Triumphierend schwebt die alte Lady dahin.

Vier Tage werden wir stromaufwärts von Yichang bis Chongqing durch die berühmten drei Schluchten des Yangtze fahren. Durch eine eindrucksvolle Bergkulisse windet sich die 77 Kilometer lange Xi Ling Schlucht, die vor der Flutung beim Bau des weltgrössten Staudammes besonders gefürchtet war wegender gefährlichen Untiefen. Diese, aber auch die Dörfer und Äcker der Menschen, liegen nun 90 Meter unter dem heutigen, hindernisfreien Fahrwasser.

Bei der Weiterfahrt überrascht an Bord ein gutes europäisch-chinesisches Mittagsbuffet. Danach staunen wir, auf dem breiten Sonnendeck liegend, über das tiefgrün schimmernde Wasser des Yangtze, das auf alten Bildern eher braun ist. «Ja, vor der Flutung war der Yangtze eine braune Brühe, maximal 20 Meter tief», schüttelt sich ein Passagier aus Schaffhausen, der bereits vor 18 Jahren die Flussfahrt machte. «Jetzt liegen fast 180 Meter Wasser unter uns. Soviel kann gar nicht verdreckt werden.» Ausserdem bemängelt er, dass die Berge nicht mehr atemberaubend hoch und steil seien. «Jetzt sind es ja nur noch Hügel », mault er. «Kaum anders als auf dem Rhein – nur ohne Burgen.» Was natürlich nicht stimmt.

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Einfahrt in die fast nebelfreie Wu-Schlucht.

Gigantischer Staudamm

40 Kilometer stromaufwärts beim Ort Sandouping legt die President No. 7 nachmittags zwischen vielen anderen Schiffen an. Per Bus geht es zum weltberühmten Drei-Schluchten- Staudamm. Herr Li, unser Deutsch sprechender Reiseleiter, bombardiert uns mit Fakten: 1997 wurde mit dem Bau der Staumauer begonnen, mehrere Berge wurden dafür «geschliffen» – es ist nicht zu übersehen. 2003 fand die erste Teilflutung statt, 2009 die dritte und letzte, die den Pegel des Yangtze auf 185 Meter über Meereshöhe hob.

Die Staumauer ist 185 Meter hoch und genau 2309,45 Meter lang. Der neue Stausee erstreckt sich über mehr als 600 Kilometer bis nach Chongqing. «Das entspricht der Entfernung Zürich–Wien – imponierend! », äussert sich Herr Schaffhausen, wie wir ihn inzwischen nennen. «Da kann sich Ihr kleiner Rheinfall aber verstecken», sagt grinsend sein Sitznach-bar. Wir erfahren, dass insgesamt über zwei Millionen Menschen umgesiedelt wurden. 140 Städte, 326 Dörfer, 44 archäologische Stätten und Tempel verschwanden in den Fluten.

Vom Busparkplatz schweben Touristenmassen auf dreifach gestaffelten Rolltreppen hinauf zum Aussichtspunkt auf den Tanziling- Hügel. Leider ist es sehr diesig und das Ende der Staumauer nicht zu erkennen. Im neuen Museum jedoch vermittelt ein Modell des gesamten Komplexes ein gutes Bild der monströsen Anlage mit der fünfstufigen Doppelschleusenanlage. Zum Glück schleusen wir erst nach dem Dinner. Endlich kommt dabei die in China übliche «Drehscheibe » auf dem Tisch voll zum Einsatz. Die vielen leckeren Gerichte werden von Lü Qing Ju, der reizenden, für die drei «Langnasen»- Tische zuständigen Bedienung, auf die Glasscheibe gestellt. Wir lernen diszipliniert, einem Tischgenossen nicht das Gericht wegzudrehen, von dem er sich gerade nimmt. Das hebt die Stimmung mit viel Gelächter.

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Fotogene Szenen vergangener Idylle.

Gigantische Tröge

Als wir endlich durch die fünf Tröge 113 Meter hoch auf das neue Flussniveau geschleust werden, staunen selbst alte Hasen über die Ausmasse: 280 Meter lang, 34 Meter breit und fünf Meter tief ist jede der fünf Kammern (bzw. Tröge). Ausser der President No. 7, die knapp 147 Meter lang und über 20 Meter breit ist, werden mit uns jeweils noch zwei kleinere Kreuzfahrtschiffe in die Höhe gehievt. «Zehn Minuten dauert jeder Hubvorgang», weiss der Herr aus Schaffhausen.

Wir werden tatsächlich in nur elf Minuten auf das nächste Pegelniveau gehoben. Allerdings dauert der Vorgang von Mal zu Mal länger, weil die drei Schiffe immer wieder millimetergenau «einparken» müssen. Gegen Mitternacht fahren wir aus der letzten Schleuse. Grandios ist der Blick zurück: die über zwei Kilometer lange Staumauer spiegelt sich wie eine leuchtende Perlenkette im Wasser.

Die President No. 7 fährt nur tagsüber, damit von der grandiosen Landschaft nichts verpasst wird. Immer enger wird es, die Berge immer höher, vor allem in der nur acht Kilometer kurzen Qutang-Schlucht. Während der Fahrt durch die 44 Kilometer lange Wu-Schlucht erzählt Herr Li auf dem Sonnendeck von Kobolden und Teufeln, die Unfug trieben mit Felsen und Strudeln. Er weist auf «Gesichter» in den Bergen hin – Elfen, die die Menschen gegen böse Geister beschützen. Abends bietet im grossen, kombinierten Bar-Salon-Theater die Crew- und Passagier-Show Erheiterung.

Allerlei Höllenqualen

Eine lange Rolltreppe bringt uns beim «Weissen Kaiser» vom Schiffsanleger hinauf zur Strasse, von wo aus wir zu Fuss zu einem Tempel gehen. Zum Glück lag dieser hoch genug auf einem Berg, so dass die sehenswerte Anlage durch die Flutung nun zwar auf einer Insel liegt, doch über eine Brücke zu erreichen ist. 360 Stufen keucht man dann noch hinauf zum grossen Tempelkomplex. Der Blick von dort auf die Bergwelt ist majestätisch.

Die 2000 Jahre alte Höllenstadt Fengdu aus der Han-Zeit jedoch, das nächste Ziel, ertrank in den Fluten und wurde hoch am Berg neu gebaut. Der Tempel des Höllen-Gottes jedoch lag zum Glück auch auf einem Berggipfel. Grimmige Gestalten der Unterwelt erwarten den Besucher und Wandmalereien, die alle Qualen der Hölle darstellen – nur nicht die unserer Füsse vom Treppensteigen. Dagegen hilft anBord die grossartige Fussreflexzonenmassage. Gleich am ersten Morgen hatte der chinesische Bordarzt darüber und über chinesische Heilbehandlungen informiert.

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Beeindruckende Felskulisse am Shenong Fluss.

680 Flusskilometer

Spannend ist der Ausflug auf den Fluss Shennong mit einem kleinen Schiff in ein extrem enges Seitental. In schwindelnder Höhe wurden vor 2000 Jahren in schmalen Spalten der steilen Felswänden Särge in Form ausgehöhlter Baumstämme gezwängt. Als das Tal noch enger wird, klettern wir über eine schwimmende Anlegestelle auf schmale Boote. Sie werden gerudert von Männern des Zhen Tucia Stammes. Ihre Vorfahren gehörten zu den unseligen Männern, die Frachtschiffe in elender Schinderei barfuss und nackt entlang der felsigen Ufer stromaufwärts treideln mussten, wie auf Plakaten dargestellt ist. Zur Demonstration werden unsere Boote an Seilen ein Stück das Ufer entlang gezogen – spielerisch, verglichen mit früheren Zeiten. Bei der Rückfahrt sehen wir die Männer flink zu den neuen Häuschen mit Gemüse- und Obstgärten klettern.

Beim Kapitäns-Dinner am vorletzten Abend begrüsst der Kapitän in schmucker Uniform jeden Gast mit Händedruck. 680 Flusskilometer legen wir zurück bis Chongqing. Als wir nach rührendem Abschied von der Crew in Chongqing mit der uralten Standseilbahn hinauf fahren zum Bus für die Weiterreise, gibt Herr Schaffhausen immerhin zu: «Gefährlich ist die Fahrt auf dem Yangtze nicht mehr, aber immer noch grandios.»

Das ist die President No. 7

Die President No. 7 von Yangtze River Cruises wurde 2013 erbaut und zählt zu den luxuriösesten Schiffen auf dem Yangtze. Das 146 Meter lange und 20 Meter breite Flussschiff verfügt auf sechs Passagierdecks über insgesamt 230 Kabinen, die alle mit Balkon ausgestattet sind. Die Standard-Kabinen sind 27,5 m2 gross, die Junior Suiten 41,2 m2. Alle sind mit Telefon, TV, Klimaanlage, Föhn und Minibar ausgestattet. Das Schiff kann maximal 580 Passagiere aufnehmen, da in jeder Kabine ein für die typische chinesische Ein-Kind-Familie ein ausklappbares Sofa steht. Das Sonnendeck ist ohne Fahrstuhl von Deck 5 über eine Treppe erreichbar. Die weitere Bord-Infrastruktur umfasst nebst einer zweistöckigen Lobby und einem eleganten Restaurant einen Fitnessbereich mit Sauna und Spa (chinesische Treatments), Arztpraxis, Coiffeursalon, Bibliothek und Bordshop, Internet-Club, Karaoke- und Spiele-Raum und einen Rauch-Salon mit erlesenen Rotweinen. Die Passagiere werden von einer rund 200-köpfigen Besatzung umsorgt. Yangzte-Fahrten mit der President No. 7 bietet in der Schweiz z.B. das Reisebüro Mittelthurgau an.

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Yangtze-Fahrt – gut zu wissen

Bei den meisten Ausflügen sind vom Schiffsanleger aus steile Treppen zur Strasse hoch zu bewältigen, wo die Busse stehen. Die Alternative: Am Kai stehen Träger bereit mit chinesischen «Sänften». An einigen Orten muss man, wie auch in Ägypten üblich, über andere Schiffe klettern. Gut zu wissen ist ebenfalls, dass man das Schiff nirgends individuell
verlassen darf. Etwas «Eigenleben » erhält man aber, wenn man zum Abschluss der Ausflüge etwas zwischen den Souvenirläden und den interessanten Ständen mit kuriosem Essbarem
bummelt.