Wo kommen die Megaliner her?

Europäische Grosswerften haben beim Bau von Kreuzfahrtschiffen die Nase vorne. Doch neue Konkurrenz erwächst.
Werft
Blick in die gigantische Bauhalle der deutschen Meyer Werft (Norwegian Getaway im Bau).

Ein Kreuzfahrtschiff in der Grössenordnung von 140000 BRZ (Bruttoregisterzahl) oder mehr zu bauen, das heisst ein schwimmendes Resort über 18 Stockwerke mit einer Länge von 325 Metern und einer Breite von 40 Metern, ist eine gewaltige Herausforderung. Nicht nur die schiere Grösse des Rumpfs und des Aufbaus, deren Konstruktion gewaltige Hallen und Becken bedingt, sondern auch die komplexe Koordination unzähliger Zulieferanten erfordern eine Infrastruktur und ein Know-how, die heute nur noch wenige Werften haben.

Seit Jahren schon sind es vor allem europäische Werften, die beim Bau von neuen Kreuzfahrtschiffen führend sind und eine grosse Kompetenz für dieses Geschäft entwickelt haben. Dies im Gegensatz zu den Fracht- und Containerschiffen, die in erster Linie auf südkoreanischen, chinesischen und japanischen Werften gefertigt werden.

Morgenröte im Osten

Eine namentliche Ausnahme bildet die japanische Mitsubishi Heavy Industries, die schon in der Vergangenheit einzelne Cruiseliner gebaut hat. So zum Beispiel die Asuka (die heutige Amadea von Phönix Reisen), die Frontier Spirit (die heutige Bremen von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten) oder die Diamond und Saphire Princess (beide Princess Cruises). Heute beissen sich die Japaner die Zähne am Auftrag von Aida über zwei 125000 BRZ-Neubauten aus. Die Auslieferung der Aida Prima verspätet sich um über ein halbes Jahr, das Geschäft droht für die Werft Verluste abzusetzen. Ob Aida Mitsubishi treu bleibt und noch weitere Einheiten in Japan bestellt, ist offen.

Gut möglich, dass in Zukunft auch China in diesem Bereich eine grössere Rolle spielen wird. Für internationale Beachtung sorgte schon vor wenigen Jahren der Plan der Xiamen Shipbuilding Industries über den Bau eines 100000 BRZLiners für den chinesischen Markt – dieses Projekt ist inzwischen auf Eis gelegt. Auch andere Werften wie aktuell Huang Hai, die das neue Kombi-Schiff Aranui 5 für Tahiti entwickelt, bauen Know-how auf.

Eine gänzlich neue Qualität könnte nun aber die Absichtserklärung zwischen der amerikanischen Carnival Corporation, dem Weltmarktführer in Sachen Kreuzfahrten, der italienischen Fincantieri Werft und der chinesischen China State Shipbuilding Corporation (CSSC), der grössten chinesischen Werft, in das Thema bringen. Geplant ist offenbar, mit gegenseitigem Know-how neue Kreuzfahrtschiffe für den vielversprechenden chinesischen Markt zu bauen (und wohl auch zu vermarkten) – in der Industrie wird das Projekt gespannt verfolgt.

Meyers Erfolgsstory

An der dominierenden Marktstellung der Europäer wird dies alles aber vorläufig noch kaum etwas ändern. Heute sind es vier Grosswerften, welche die spektakulären Megaliner (und feinen kleineren Einheiten) für die Reedereien dieser Welt baue. So die deutsche Meyer Werft in Papenburg, ein Traditionsunternehmen mit langer und erfolgreicher Geschichte, das sich seit Generationen in Familienbesitz befindet. Meyer baut innovative Schiffe für viele bekannte Reedereien wie z.B. Royal Caribbean International, Norwegian Cruise Line, Celebrity
Cruises oder die Sphinx-Serie für Aida.

Im vergangenen Sommer dann der überraschende, aber logische Schritt: Meyer übernahm vorerst einen 70%-Anteil an der finnischen STX-Werft, einem traditionellen und wichtigen Schiffsbauer in Turku – inzwischen sind es 100%. Auch diese Werft ist schon seit Jahrzehnten und je nach Besitzverhältnissen mit wechselndem Namen im Geschäft, u.a. Wärtsila, Masa Yards, Kvaerner Masa, Aker Kvaerner oder Aker Yards. 2008 wurde Aker Yards mehrheitlich von der südkoreanischen STX-Gruppe übernommen – jetzt ist STX wieder ausgestiegen. In Turku entstanden u.a. Megaliner für Carnival, Royal Caribbean (Oasis Klasse) und aktuell die neuen Einheiten für TUI Cruises. Für Meyer eröffnen sich mit FinnlandFinnland (heute: Meyer Turku) neue Chancen, denn in Papenburg können wegen der Ems-Ausfahrt keine Gigaliner gebaut werden.

Fincantieri am Drücker

Eine weitere wichtige europäische Grosswerft für Kreuzfahrtschiffe sind die Chantiers de l’Atlantique im französischen St.Nazaire. Diese Werft gehörte einst zur Alstom-Gruppe, wurde dann mehrheitlich an die nordische Aker-Gruppe verkauft und ist seit 2008 ebenfalls Teil der STXGruppe – der Staat ist mitbeteiligt. In St. Nazaire wurden schon die legendären Renaissance-Schiffe gebaut, die noch heute bei verschiedenen Reedereien erfolgreich im Einsatz sind (u.a. Ocenaia Cruises oder Azamara Club Cruises). Weitere wegweisende Entwicklungen waren z.B. die Queen Mary 2 für Cunard oder jüngeren Datums die herausragende Europa 2 für Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Ein wichtiger Grosskunde ist MSC, und auch die zwei Oasis-Nachfolgebauten werden hier gefertigt.


Zu Besuch auf der Meyer Werft

Papenburg, die norddeutsche Stadt an der Ems im hübschen Niedersachsen, ist für Fans von Kreuzfahrtschiffen längst ein Begriff. Hier liegt die Meyer Werft, wo man die neusten Ozeanriesen im Endausbau aus nächster Nähe bestaunen kann. Die Besucher erwartet zudem ein attraktives, neu gestaltetes Besucherzentrum, das auf 3500 Quadratmetern den modernen Schiffbau als faszinierende Erlebniswelt inszeniert und
erklärt – inklusive Einblick in die riesige Schiffbauhalle 6 mit dem sich gerade im Bau befindlichen Kreuzfahrtschiff. www.papenburg-tourismus.de

Meyer
Spannendes Besucherzentrum