Argentinien: Ein Mosaik aus Feuer, Eis und Lebenslust

Im zweitgrössten Land Südamerikas sind Wein- und Fleischgeniesser ebenso willkommen wie Tierbeobachter und Liebhaber einsamer Naturerlebnisse
Auftaktbild
Weit über 200 Wasserfälle machen die Iguaçu zu einem gewaltigen Schauspiel.

Tosende Wasserfälle und sattgrüner Tropenwald, weite Ebenen und imposante Gebirge, eisige Gletscher und heisser Tango: Wer sich mit Argentinien beschäftigt, kann über dieses landschaftliche und kulturelle Mosaik nur staunen. Wer jedoch weiss, dass das Riesenland sich über sage und schreibe 34 Breitengrade oder anders gesagt über eine Länge von 3700 Kilometern erstreckt, versteht schon besser, was ihn auf seiner Reise erwartet.

Norte: Der farbenfrohe Nordwesten Auf einer Argentinientour sollte man dem Nordenwesten (Norte) rund eine Woche widmen. Wer reisegewandt ist und ein paar Brocken Spanisch kann, ist mit einem Mietauto bestens bedient und kann die Highlights ganz unabhängig erkunden. Allen anderen sei ein lokaler Reiseleiter empfohlen, den man (wie das Mietauto auch) am besten bereits in der Schweiz buchen sollte. «Diese Guides kennen die Region wie ihre Westentasche », weiss zum Beispiel Lateinamerika-Expertin Madeleine Rüegg von Latino Travel in Aarau zu berichten.

Geprägt ist die Region zwischen der bolivianischen und der chilenischen Grenze von in allen Rot- und Grauschattierungen gezeichneten und teils auf eindrückliche Weise gestreiften Gebirgen. Typisch sind Naturspektakel wie die menschenleere Schlucht Quebrada de Humahuaca, die über 150 Kilometer von 1259 Meter auf 2950 Meter ansteigt. Aber auch die baumhohen Kandelaber-Kakteen gelten als beliebtes Fotosujet.

Ob man Süsswein schätzt oder nicht, in den hiesigen Weinanbaugebieten muss man einfach auf eine Degustationstour durch die zahlreichen Weinkeller gehen. Zum Beispiel im berühmten Cafayate in der Provinz Salta. Trotz der stattlichen Höhe von fast 1700 Metern über dem Meeresspiegel gedeihen die Trauben dank des milden und trockenen Klimas prächtig. Bekannt sind vor allem die Weissweine aus der Torrontés Riojano- Traube, die national und international immer mehr Liebhaber finden. Auf einer (am besten organisierten) Tourdurch die Weingüter lassen sich sogar Bioproduzenten entdecken.

Ein Sprung über die Grenze

Wer bereits da ist und genug Zeit hat, sollte allenfalls über einen Abstecher nach Chile nachdenken. Die Atacama, die trockenste Wüste der Welt mit ihrem berühmten Valle de la Luna (Tal des Mondes), das tatsächlich ein wenig an eine geheimnisvolle Mondlandschaft erinnert, erfordert mit dem Auto je nach Unterwegsprogramm nur ein paar wenige Extratage. Dort angekommen, begegnen dem Wanderer bizarre Salzformationen und im Nationalreservat Los Flamencos warten die berühmten Flamingokolonien auf ihn.

KarteAtlantischer Ozean
Von Nord nach Süd erstreckt sich Argentinien über eine Distanz von 3700 Kilometern.

Tosende Wasser

Ein Must – zumindest auf der allerersten Argentinienreise – sind natürlich die Iguaçu-Wasserfälle, die sich Argentinien mit Brasilien teilt. Beiderseits der Fälle wurde ein Nationalpark eingerichtet, nicht zuletzt um die letzten Reste des atlantischen Regenwaldes zu schützen. Vor dessen sattgrüner Kulisse stürzen sich die «grossen Wasser», wie die Iguaçu übersetzt heissen, in 20 grösseren und über 250 kleineren Fällen in die Tiefe, verteilt über eine Strecke von 2,7 Kilometern. Einige der Fälle sind bis zu 82 Meter hoch. Viele Reiseveranstalter bieten in ihren Programmen eine Fahrt über die Grenze an, damit man die Iguaçu von beiden Perspektiven bestau-nen kann. Aber allein auf der argentinischen Seite kann man durchaus mehrere Stunden damit verbringen, auf verschiedenen Wegen oberhalb oder am Fusse der Wasserfälle das Naturschauspiel zu bestaunen. Am meisten Touristen sammeln sich an der Hauptattraktion, dem Teufelsschlund. Eindrücklicher ist nur noch eine Fahrt durch den Urwald mit anschliessender Schlauchbootfahrt über den Rio Iguazú. Hier geht es mitten durch die Gischt der Wasserfälle. Hinkommen ist einfach: Die Fluggesellschaften Aerolíneas Argentinas oder LAN Argentina fliegen täglich von Buenos Aires den argentinischen Flughafen Iguazú – Cataratas del Iguazú an.

Mendoza: Feinster Malbec und ein Siebentausender

Die mit Abstand ergiebigste Weinbauregion Argentiniens ist Mendoza im mittleren Westen des Landes. Die künstliche Bewässerung macht die trockene und sonnenverwöhnte Landschaft fruchtbar. Vor allem der samtige, dunkelrote Malbec hat Mendoza berühmt gemacht und ist die perfekte Begleitung zu den geschmackvollen argentinischen Grillfleischgerichten.

Natürlich wird der Wein von den Bewohnern entsprechend zelebriert. Im argentinischen Sommer und Frühherbst findet in Mendoza das dreimonatige Fest der Weinlese statt. Höhepunkt sind die teilweise bombastisch und hochprofessionell inszenierten Tanz- und Musikveranstaltungen im März im örtlichen Amphitheater.

Aber Mendoza hat noch mehr zu bieten: Die Stadt – auch das Tor zu Chile genannt – liegt direkt am Fusse der Anden. Der Aconcagua, mit fast 7000 Metern der höchste Berg ausserhalb Asiens, ist mit seinen Schnee- und Eisfeldern omnipräsent und schon aus der Ferne eindrücklich. Eine Besteigung gilt unter Profis zwar als «leicht», ist jedoch allein der Höhe wegen nur sportlich sehr ambitionierten Outdoorsportlern zu empfehlen. Die beste Zeit zur Gipfelbesteigung ist von November bis März, dann sind in den zwei gut ausgerüsteten Basislagern permanent Nationalpark- Führer stationiert. Vor der Besteigung muss in der Park-Verwaltung in Mendoza persönlich eine Erlaubnis gekauft werden. Aber auch für einfache Wanderungen gibt es genug Möglichkeiten.

Mendoza
In Mendoza gedeiht der beste Wein Argentiniens. Vor allem für den Malbec ist die Gegend berühmt.

Patagonien: Eine Welt zwischen Wasser und Eis

Der einfachste Weg, um von Buenos Aires aus Patagonien zu bereisen, ist der Luftweg. Reisende mit etwas mehr Zeit können auch mit dem Bus oder Mietauto reisen, wobei dann unterwegs durchaus auch recht ereignislose Strecken in Kauf genommen werden müssen. Für die pure Fahrt von Buenos Aires nach Ushuaia, der südlichsten Stadt Argentiniens und Hauptstadt der Provinz Tierra del Fuego (Feuerland), sollten drei Tage eingerechnet werden.

Vom Flughafen in Trelew aus erreicht man die an der Ostküste Argentiniens gelegene Stadt Puerto Madryn nach einer gut einstündigen Fahrt. Sie dient als Ausgangspunkt für Tierbeobachtungen auf der berühmten Halbinsel Valdés – dem grössten Touristenmagneten der Region. Auf die Halbinsel führen organisierte Touren, man kann aber auch allein auf Entdeckungstour gehen.

Orcas sind von Februar bis April die Attraktion im Norden der Halbinsel. Teilweise kommen die Tiere sogar bis an den Strand, um ihre Beute zu fangen. Im Mai schwimmen die Buckelwale in die Gewässer im Süden der Halbinsel. Dort bringen sie ihre Jungen zur Welt und verlassen im Dezember gemeinsam mit ihnen das Küstengebiet. Ein weiteres dickes Highlight der Peninsula Valdés ist die Kolonie der Seeelefanten. Über einen sandigen Weg erreicht man den abgesperrten Strandabschnitt, an welchem sich unzählige der schwerfällig anmutenden Meeresriesen sammeln. Die Kämpfe der mächtigen Männchen mit ihren aufgerissen Mäulern und ulkigen Nasen ziehen nahezu jeden Beobachter in ihren Bann.

Inmitten hunderter Pinguine

Zirka 180 Kilometer südlich von Puerto Madryn gibt es ein weiteres Naturschauspiel zu bestaunen: die Pinguinkolonie von Punta Tombo. Mit ungefähr 200000 Nestern ist es die grösste Brutstätte von Magellan-Pinguinen weltweit. Den grossen Strand und das flache Land oberhalb der Klippen nutzen die Tiere, um zu nisten und ihre Jungen zur Welt zu bringen. Ein eingezäunter Gehweg führt mitten in die Kolonie. Entgegen der normalen Verkehrsregeln haben auf diesem Gelände die Pinguine stets Vorrang.

Wo die Gletscher noch wachsen

Auf einer Reise durch Patagonien darf auch die knapp 1400 Kilometer in südwestlicher Richtung gelegene Stadt El Calafate nicht fehlen. Die Einwohnerzahl der am Fusse der Anden liegenden Stadt ist stark saisonabhängig und erreicht in der Hochsaison die Marke von 18000 Einwohnern. Vom Flughafen von El Calafate fährt man ungefähr 20 Minuten bis ins Zentrum des Ortes. Die Strecke führt durch karges Niemandsland und lässt vermuten, wie einsam das Leben in der patagonischen Steppe, abseits der Touristenzentren, ablaufen mag. Rund 80 Kilometer nördlich von El Calafate erhebt sich der gigantische Perito Moreno-Gletscher mit seiner bis zu 60 Meter hohen Eiswand aus dem kalten Wasser des Lago Argentino. Von den gegenüberliegenden Terrassen aus hat man einen herrlichen Ausblick auf die gewaltige türkisweisse Masse.

Der Perito Moreno ist einer der wenigen Gletscher ausserhalb Grönlands und der Antarktis, der tatsächlich noch im Begriff ist zu wachsen. So schiebt sich die Eiswand täglich rund einen Meter weiter in den See hinein. Die dabei abbrechenden Eisbrocken und die daraus entstehenden Wellen bieten ein atemberaubendes Spektakel, das auch als «Kalben » bezeichnet wird. Dass eine Inselgruppe namens Feuerland nicht weit ist, mutet in diesem Szenario doch etwas seltsam an.

Patagonien
In Patagonien kann man den Gletschern beim Kalben und den Pinguinen beim Brüten zusehen.

Regen und Wind auf Feuerland

Mit heissen Feuern hat Feuerland, das von seinen Entdeckern schlicht wegen der von Ferne gesichteten Indianerfeuer so getauft wurde, wenig zu tun. Regen, Wind und kühle Temperaturen bestimmen das Klima fast das ganze Jahr – vor allem im Westen (der allerdings zu Chile gehört) ist es oft nass.

Die Landschaft ist ebenso einsam wie atemberaubend. Im Parque Nacional Tierra del Fuego im argentinischen Südostteil Feuerlands reicht der Wald bis ans Meer und es locken kilometerlange Wanderwege. Hin kommt man mit dem Auto (18 Kilometer von Ushuaia). Wer Züge mag und sich von lauter Musik und Lautsprecherdurchsagen nicht stören lässt, kann auch mit dem Tren del Fin del Mundo in den Nationalpark gelangen. Die Stadt Ushuaia ist wiederum Startpunkt für einzigartige Schiffstouren durch den von Bergen umgebenen Beagle-Kanal.

Wer Argentinien von Nord nach Süd inklusive Buenos Aires und der Halbinsel Valdés bereisen will, muss mindestens drei Wochen dafür einplanen. Inlandflüge sind zum Überwinden der grossen Distanzen zu empfehlen. Denn selbst wer nicht alles mit dem Auto fährt, hat am Ende seiner Reise so viele Eindrücke gesammelt, wie sie nur wenige Länder in dieser Vielfalt zu bieten haben.


BUENOS AIRES: INSIDERTIPPS VON LATINO TRAVEL*

Asado (Gegrilltes): Ein Muss für alle Nichtvegetarier ist der Besuch eines Fleisch-Restaurants. Das zarte und gleichzeitig kräftig aromatische Bife de lomo (Lendensteak) oder auch das Bife de chorizo (Rumpsteak) sind ein Genuss der aussergewöhnlichen Art.

Puerto Madero: Der alte Hafen am Ufer des Río de la Plata ist der neue Hip-Stadtteil von Buenos Aires mit coolen Bars, Beizen und Läden. Zudem gilt die Gegend als sehr sicher. Abends allein in den Ausgang gehen, ist kein Problem.

La Recoleta: Dieser Friedhof ist ein besonderer Ort mit vielen Mausoleen grosser argentinischer Familiendynastien. Hier ruht auch Evita Perón. Das Grab der Volksheldin ist am besten an den vielen frischen Blumen zu erkennen, die von ihren Fans täglich gebracht werden.

La Boca: Der Stadtteil im Osten von Buenos Aires ist vor allem wegen seiner kunterbunten Häuser berühmt und beliebt. Sie wurden einst aus dem Blech abgewrackter Schiffe gebaut und mit Schiffslack bemalt. Auf den Gehsteigen der Strasse El Caminito kann man Strassenkunst und professionelle Tangovorführungen bewundern.

La Boca
La Boca, das bunteste von 48 Stadtvierteln.
Tango Dancers in La Boca
Tango vom Feinsten gibt es in Buenos Aires auch mitten auf der Strasse.