«Mein ganzes Leben besteht aus Reisen»

Er gilt als Blues-Ikone der Schweiz, ist gerade auf Tour und hat ein Faible für Kreuzfahrten und Harley-Touren. Philipp Fankhauser im Gespräch mit traveltip.
Dockery Farms
Philipp Fankhauser (vorne) bei den Dockery Farms in Mississippi während der Harley Blues Cruise.

Herr Fankhauser, sind Sie noch immer auf Ihrer «Home»-Tour unterwegs?

Ja, auch im Moment. Die Tour begann mit der Veröffentlichung des neuen Albums im Oktober 2014. Normalerweise sind wir immer etwa zwei Jahre unterwegs, bis ein neues Album erscheint und dann beginnt alles wieder von Neuem. Wir sind eigentlich seit 2002 ununterbrochen auf Tour.

Was können die Zuhörer erwarten?

Wir spielen vor allem die Songs aus dem neuen Album, aber auch Titel von früheren Alben, die das Publikum speziell gerne hört.

Die Musik wurde Ihnen in die Wiege gelegt. Was bedeutet Ihnen dieses Talent?

Über Talent zu sprechen, ist bei mir etwas schwierig, da ich immer behaupte, ich hätte kein riesiges Talent. Ich bin weder technisch genial, noch stimmlich brillant. Es ist mehr ein Paket. Einerseits meine Furchtlosigkeit, auf die Bühne zu gehen. Ich liebe die Bühne. Ich habe gute Freunde in der Musikszene, die vor einem Bühnenauftritt vor Nervosität fast zusammenbrechen. Ich bin genau das Gegenteil und kann es kaumerwarten. Andererseits sind meine Band und ich sehr wagemutig, wir machen nicht Musik nach Schema und spielen das, was wir geübt haben. Ich vergleiche es oft mit Sushi: Das, was man isst, wurde soeben frisch zubereitet, das, was man bei uns am Konzert hört, ist auch in dem Moment entstanden und wurde nicht vorher zu Tode geübt.

Der Improvisation lassen wir viel Raum. Ich finde es grossartig, dass ich mit den besten Musikern unseres Landes spielen kann und die würden nicht mit mir spielen, wenn das, was ich mache, nicht eine gewisse Qualität hätte. Mehr Spass als ein Live-Konzert gibt es für mich nicht.

Wollten Sie jemals etwas anderes machen?

Vor allem mein Vater, der Lehrer war, hätte gerne gehabt, dass ich studiere. Schon als 12-Jähriger war für mich klar, dass ich Musik machen will. Ich absolvierte zwar noch das KV. Für diese Grundausbildung bin ich heute noch froh. Immobilien- und Bankspekulanten scheffeln tonnenweise Geld, sind aber eifersüchtig auf mich, da ich in ihren Augen ein so tolles Leben habe. Ich muss aber schauen, dass ich die Telefonrechnung bezahlen kann. Da denke ich manchmal schon, etwas mehr Interesse und ein gutes Händchen für Börsengeschäfte könnten das Leben gemütlicher gestalten. Aber es ist wie es ist: vor 40 Jahren war klar, dass ich Musik machen will und seit 30 Jahren tue ich es mit Freuden.

Gibt es einen Beruf ausserhalb der Musik, denn Sie sich überhaupt vorstellen könnten?

Nein, und glücklicherweise musste ich mir das nie vorstellen. Wenn mich in fünf oder zehn Jahren niemand mehr hören will, dann komme ich wenigstens schon in die Nähe der AHV. Ich habe eine gewisse Sozialkompetenz, könnte also in verschiedenen Bereichen tätig sein, bin aber auf nichts spezialisiert. Untergehen werde ich nicht.

Sie gelten als Blues-Ikone der Schweiz. Hören Sie selber nur Blues oder welche Musikstile gefallen Ihnen auch noch?

Blues ist meine Hauptmusik, aber auch Black Music im Sinne von Soul und Rhythm and Blues wie Barry White oder Otis Redding höre ich oft. Der Blues hatso viele Facetten und Stilrichtungen, deshalb sagt man im Englischen die Blues im Gegensatz zu der Blues bei uns.

Gibt es Vorbilder in der aktuellen Musikszene?

Ich hatte und habe viele Vorbilder. Margie Evans, die im September wieder in die Schweiz kommt und mit mir drei unplugged Konzerte spielt, aus denen es ein Album geben wird, hat einen grossen Einfluss auf mich. Ganz wichtig ist mir auch Johnny Copeland, der 1997 viel zu früh verstorben ist, oder B.B. King, Albert King oder Jimmy Witherspoon.

Im September 2016 sind Sie auf der 6. Rock & Blues Cruise mit dabei. Eine Premiere?

Nein, ich war bereits fünf Mal als Musiker mit dabei. Nachdem sich Polo Hofer als Programmgestalter zurückgezogen hat, wurde ich von Music Cruise AG (Schär Reisen und Globetrotter) angefragt, ob ich bei der Programmgestaltung für die sechste Reise mitmachen würde. Ich habe gerne zugesagt und bin nun wahrscheinlich der Senior im Team. Ausser natürlich der legendäre Geschichtenerzähler Timmermahn; auch er ist seit der ersten Cruise im 2006 dabei.

Was ist das Besondere an einer musikalischen Kreuzfahrt?

Zu Beginn war es für mich eine schwierige Vorstellung, eine Woche lang mit Leuten auf einem Schiff ohne grosse private Rückzugsmöglichkeiten eingeschlossen zu sein. Zudem habe ich grosse Angst vor Wasser und dem Untergehen. Nach der ersten Teilnahme 2006 musste ich meine Meinung revidieren. Es ist sehr schön, zusammen mit den Gästen und den anderen Musikern unterwegs zu sein und sich auszutauschen. Am Horizont und rundherum nur Wasser zu sehen, hat etwas Magisches und mit Ferien zu tun.

Damit sind wir beim Thema Reisen. Welcher Ferientyp sind Sie?

Ich mache eher verlängerte Wochenenden und kann mir zweiwöchige Aufenthalte irgendwo auf der Welt schwerlich vorstellen. Ferien heisst für mich Bewegung, vor allem in den USA. Ich bezeichne mich als einen musikalischen Fahrenden. Ich bin mehr der Geniesser, ein Programm zusammenzustellen, in jeder Stadt jede Sehenswürdigkeit anzusehen, das liegt mir nicht.

Gibt es ein bevorzugtes Reiseziel, das Sie immer wieder besuchen?

Memphis und New Orleans sind meine Lieblingsziele, was mit der musikalischen Geschichte dieser Städte zu tun hat. Andererseits habe ich eine Art Hassliebe zu den USA. Ich lebte in den 90er-Jahren sieben Jahre dort, was nicht einfach war. Mit der schwierigen Mentalität, der Doktrin von Masse statt Individualität, den sozialen Ungerechtigkeiten und dem unmöglichen politischen System hatte ich so meine Mühe. Aber das Land und seine Menschen finde ich faszinierend.

Mit wem verreisen Sie am liebsten?

Ich bin gerne alleine unterwegs, da ist man wirklich frei. Aber ich reise auch gerne mit meinem besten Freund, Roger Guntern, da wir ähnliche Interessen haben. Bei der Harley Blues Cruise vom 27. Mai bis 12. Juni 2016 bin ich bereits zum sechsten Mal mit einer Gruppe von New Orleans bis Chicago auf den Spuren der Bluesmusik unterwegs. Trotz Gruppe erlebt man auf dieser Fahrt ein Gefühl von Freiheit. Da ich diese Reise organisiere und anführe, trage ich eine gewisse Verantwortung. Nach so einem Trip brauche ich keine Ferien, das ist die Art Reisen, wie ich sie liebe.

Gibt es eine Traumdestination, die Sie noch bereisen möchten?

Ja, die nordeuropäischen Länder würde ich gerne mal besuchen, ob im Winter oder Sommer. Ich bin noch nie über Norddeutschland hinaus gekommen.

Was war Ihre bisher schönste Begegnung oder Ihr schönstes Erlebnis auf Reisen?

Mein ganzes Leben besteht eigentlich aus Reisen, auch wenn es nur 150 Kilometer mit dem Auto oder der Bahn sind. Ich war an so vielen Orten, da gab es unzählige schöne und tolle Erlebnisse mit unterschiedlichsten Menschen.


Philipp Fankhauser

Am 20. Februar 1964 in Thun geboren, dreht sich im Leben von Philipp Fankhauser bis heute alles um Musik, um Blues. 1975 schenkt ihm seine Mutter die erste Gitarre, die ihn noch heute begleitet. 1989 erscheint sein erstes Album, bis heute sind es insgesamt 13. Mit dem 2014 veröffentlichten Album «Home» tourt er aktuell durch die Schweiz. Von 1994 bis 2000 wandelt er auf den Spuren des Blues durch Amerika, heftet sich an die Fersen von Blues-Legende Johnny Copeland und durchlebt alle Hochs und Tiefs. Das erfolgreiche Schaffen Fankhausers widerspiegelt sich in drei Gold- und zwei Platin-Auszeichnungen. Im 2015 gewinnt er den Swiss Music Award als bester männlicher Künstler und er war bereits zwei Mal in der Sparte bestes Album nominiert. Jährlich gibt Fankhauser etwa 80 Konzerte und kann dabei auf die Unterstützung der besten Musiker der Schweiz zählen. Bei einem breiten Fernsehpublikum ist er als Coach der beiden Staffeln von «The Voice of Switzerland» bekannt geworden.

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Philipp Fankhauser (vorne) bei den Dockery Farms in Mississippi während der Harley Blues Cruise.