«Geschäftsreisen nachhaltiger zu gestalten, ist ein Prozess»

Alle reden von Nachhaltigkeit, wenige tun was dafür. Wie man das ändern kann, sagt Götz Reinhardt, Managing Director MEE für SAP-Concur, im «Business Traveltip».
Götz Reinhardt, Managing Director MEE der SAP-Concur-Organisation © SAP-Concur

Nachhaltigkeit und wie man sie umsetzt und lebt ist nach der Corona-Pandemie das Thema, das auf jedem Programm von Busines Travel Events steht.

Travel Manager wollen laut Studien die Nachhaltigkeit in den Reiserichtlinien implementieren, Geschäftsreisende sagen in Umfragen, dass sich auf ihren CO2-Fussabdruck achten würden und Firmenchefs geben an, ihre Compliance- und Investor-Relations-Abteilungen mit Nachhaltigkeits-Reports zu beauftragen. Alles nur Schall und Rauch – oder wird der Business Travel tatsächlich grüner?

«Business Traveltip» hat bei Götz Reinhardt, Managing Director MEE für SAP-Concur-Lösungen, nachgefragt.


Götz Reinhardt, Umfragen sind eins, wie schätzen Sie persönlich das Bedürfnis der Unternehmen nach grüneren Reiserichtlinien ein?
Angesichts des Klimawandels ist es für Unternehmen heute ein Muss, sich mit Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen. Und Hand aufs Herz: Mitarbeitermobilität macht einen nicht unerheblichen Teil des CO2-Fussabdrucks von Unternehmen aus – gerade in Branchen, die traditionell ein hohes Reiseaufkommen mit sich bringen, wie Consulting o

der in global agierenden Konzernen. Grüne Reiserichtlinien sollten daher obligatorisch in Nachhaltigkeitsstrategien verankert sein.

Welches sind für Sie die wichtigsten Gründe für nachhaltige Geschäftsreise-Policies?

20 Prozent der Emissionen, die durch Reisetätigkeiten entstehen, fallen auf Dienstreisen. Grüne Reiserichtlinien sind somit ein wichtiges Puzzlestück, wenn Unternehmen und Mitarbeitende ihre Nachhaltigkeitsambitionen in die Tat umsetzen wollen. Gesellschaft und Belegschaft erwarten zunehmend ein Umdenken seitens der Unternehmen.

In Befragungen sehen wir, dass Mitarbeitende sogar immer häufiger Druck auf ihre Arbeitgeber hinsichtlich der Umsetzung ausüben. Sie wollen einen Beitrag für Klima und Umwelt leisten, wissen oft aber noch nicht, wie. Diesem Bedürfnis sollten Unternehmen unbedingt nachkommen, indem sie ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, die nachhaltigste Reiseoption auszuwählen.

Entsprechende Reiserichtlinien können dabei wichtige Anhaltspunkte liefern. Sie schaffen einen Rahmen für Mitarbeitende, an dem sie sich bei der Buchung von Transportmitteln und Unterkünften orientieren können.

Warum gibt es immer noch einen so grossen Gap zwischen gutem Willen und schleppender Umsetzung?

In den Pandemiejahren lagen die Prioritäten in vielen Unternehmen auf anderen Bereichen. Jetzt, wo die Geschäftsreiseaktivität wieder zunimmt, wird oft erst ersichtlich, woran es fehlt. Das sind beispielsweise Transparenz hinsichtlich der Emissionen einer Reise oder nachhaltige Optionen als Auswahlmöglichkeit für die Mitarbeitenden.

Was aber klar ist: Man kann jetzt nicht einfach den Schalter umlegen. Geschäftsreisen nachhaltiger zu gestalten, ist für alle Beteiligten ein Prozess – eine Reise. Hier muss das Unternehmen sukzessive die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Das betrifft beispielsweise grüne Reiserichtlinien oder die Einführung von Tools und digitalen Helfern zur Unterstützung der Mitarbeitenden.

Dabei geht es nicht darum, von Anfang an alles richtig zu machen. Es sind vielmehr viele kleine Schritte notwendig, um die nachhaltigste Reiseoption zum Standard zu machen. Eine tatsächliche Verhaltensänderung bei Mitarbeitermobilität erreichen Unternehmen nur, indem sie Mitarbeitenden die Informationen an die Hand geben, die ihnen helfen, selbstständig eine verantwortungsvolle Reiseentscheidung zu treffen, zum Beispiel durch regelmässige Schulungen und Trainings. Nachhaltige Reiserichtlinien einzuführen, reicht da in der Regel nicht aus, ist aber die Basis für eine erfolgreiche Strategie.

Es braucht kontinuierliches Engagement sowie eine konsequente Umsetzung von Führungskräften und Mitarbeitenden, um die nachhaltige Geschäftsreise im Unternehmen zu etablieren.

Welches sind die wichtigsten Elemente für nachhaltigen Business Travel?

Von der Notwendigkeit über die Dauer der Reise, die Wahl der einzelnen Transportmittel und Unterkünfte bis hin zur Anzahl der Umstiege und Zwischenstopps: Nachhaltigkeit umfasst die gesamte Geschäftsreise. Es geht dabei nicht nur um die Kompensation einen Fluges. Nachhaltige Mitarbeitermobilität beginnt streng genommen schon beim Weg zur Arbeit.

In der Vergangenheit war der Dienstwagen ab einem bestimmten Job-Level Standard. Das ändert sich gerade. Viele Mitarbeitende möchten selbst entscheiden, wie sie zur Arbeit kommen und wann sie überhaupt ins Büro gehen. Und sie möchten auch auf nachhaltige Fortbewegung setzen. Dabei kann ein individuelles Mobilitätsbudget helfen, das sie flexibel für Fortbewegung einsetzen können. Im Geschäftsreisekontext braucht es jedoch Flexibilität über das Transportmittel hinaus: Es geht auch um klimafreundliche Alternativen bei der Unterkunft und der Verpflegung unterwegs. Auch hier sollten Geschäftsreiseverantwortliche ihre Mitarbeitenden dazu ermutigen und dabei unterstützen, auf nachhaltige Optionen zu setzen.

Wichtig ist aber auch die Rückendeckung des Unternehmens: Das beginnt mit der gezielten Planung und Steuerung durch Travel Manager, Finanzteams und HR. Zudem ist die nachhaltigste Reiseoption nicht immer die schnellste oder günstigste, weshalb Mitarbeitende unter Umständen vor der Buchung zurückschrecken.

Dabei zeigen SAP-Concur-Umfragen, dass Geschäftsreisende durchaus bereit sind, zugunsten der Umwelt längere Reisezeiten in Kauf zu nehmen. Das sollten Unternehmen mit den entsprechenden Richtlinien unterstützen.

Ein ganz entscheidender Faktor ist schliesslich Transparenz: Nur wenn der CO2-Fussabdruck einer Geschäftsreise messbar ist, können Optimierungspotenziale identifiziert und ausgeschöpft werden. Wird dieser mithilfe digitaler Tools schon direkt bei der Buchung prominent ausgewiesen, macht es das für Mitarbeitende greifbarer und leichter, eine informierte Entscheidung zu treffen. Transparenz ist damit der Schlüssel, um das Reiseverhalten kritisch zu hinterfragen und nachhaltig zu verändern.

Wie können Unternehmen von grünem bzw. nachhaltigem Business Travel profitieren?

Unternehmen überarbeiten ihr Reiseprogramm nicht zum Selbstzweck. Sie versprechen sich davon vielfältige Vorteile: Laut unserer aktuellen Nachhaltigkeitsstudie erhofft sich mehr als die Hälfte der Befragten etwa bessere Beziehungen zu Nachhaltigkeitsorganisationen (58%).

Darüber hinaus sehen viele in ihren Nachhaltigkeitsbemühungen einen Reputationstreiber – sowohl für die persönliche Karriereentwicklung (57%) als auch für das Unternehmen durch eine positive Markenwahrnehmung (54%). Schliesslich erwarten sie auch wirtschaftliche Vorteile wie eine höhere operative Effizienz (51%) und reduzierte Kosten (51%).

Nachhaltiger Business Travel leistet damit einen Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen. Mit der Umstellung modernisieren sie ihr Geschäftsreiseprogramm.

In den Gesprächen mit unseren Kunden sehen wir aber auch ganz klar, dass Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Faktor im Bereich Employer Branding geworden ist. Viele Beschäftigte legen grossen Wert darauf, dass ihr Arbeitgeber nachhaltig handelt und damit einen gesellschaftlichen Beitrag leistet – auch bei Geschäftsreisen.

Da geht es nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch um Flexibilität – Sichtworte Bleisure und Bizcation – und eine ausgewogene Work-Life-Balance. Wenn Unternehmen solche Trends berücksichtigen, werden sie zu einem attraktiven Arbeitgeber für dringend benötigte Fachkräfte und steigern darüber hinaus die Mitarbeiterbindung.

Was ist wichtiger: Der Reputationsgewinn oder die Monetarisierung?

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Megatrend. Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe. Eine Aufgabe mit sehr realen Deadlines, die Unternehmen nicht länger aufschieben können. Sie ist heute auch mehr als ein Reputationsrisiko: Ja, die Öffentlichkeit nimmt Unternehmen stärker in die Pflicht und stellt Unternehmen für Klimasünden häufiger an den Pranger, aber auch neue Regulierungsmassnahmen wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die EU-Taxonomie rücken in den Fokus.

Im Jahrzehnt des Handelns – wie es die Vereinten Nationen ausgelobt haben – ist es unsere Aufgabe, nicht nur Visionen für eine nachhaltige Zukunft zu skizzieren, sondern Fakten – Momente der Klarheit – zu schaffen.

So wie Entscheider*innen in Unternehmen zu jedem Zeitpunkt Einblick in die finanzielle Lage des Unternehmens haben, braucht es künftig einen stetigen Einblick in die Kosten, die das unternehmerische Handeln für die Umwelt verursacht. Das betrifft alle Unternehmensbereiche – Produkt- und Verpackungsdesign ebenso wie Logistik und Transport. Hier braucht es einen ganzheitlichen Blick, einen Control Tower, um den Status quo zu erfassen und Nachhaltigkeit zum Kern aller unternehmerischen Prozesse zu machen.

Was ist bei der Implementierung besser, top-down oder bottom-up?

Das lässt sich aus meiner Sicht nicht so pauschal beantworten. Generell ist es aber entscheidend, dass in Sachen Nachhaltigkeit im Unternehmen alle am gleichen Strang ziehen. So ist es natürlich wichtig, dass Führungskräfte voran gehen, Grundlagen und Voraussetzungen schaffen sowie durch entsprechende Lösungen aufzeigen, wie Mitarbeitende nachhaltiger unterwegs sein können.

Gleichzeitig sehen wir, dass immer mehr Beschäftigte sogar von Unternehmen erwarten, dass sie verantwortungsvoll mit Klima und Umwelt umgehen. Für Unternehmen ist es daher umso wichtiger, Mitarbeitende in den Prozess einzubinden und regelmässig deren Feedback einzuholen, zum Beispiel durch Mitarbeiterbefragungen. Nur so können sie auf die individuellen Bedürfnisse eingehen und diese in der Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigen.

Es braucht nach meiner Einschätzung daher einen Mix: Unternehmen, die nachhaltige Reiseoptionen anbieten und fördern, beispielsweise durch Incentives belohnen und engagierte Mitarbeitende als Multiplikatoren, die eventuelle Skeptiker im Kollegenkreis motivieren und mitziehen, aber auch ihren Arbeitgeber dazu auffordern, Nachhaltigkeit im Unternehmen voranzutreiben.

Wo liegen die größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung nachhaltiger Reiserichtlinien, bzw. wo ist mit dem grössten Widerstand zu rechnen?

Nach meiner Erfahrung ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur nachhaltigen Geschäftsreise, das Durchbrechen von Gewohnheiten. Gerade im stressbehafteten Arbeitsalltag machen wir es uns beim Buchen von Reisen oft leicht und wählen Transportmittel und Unterkünfte aus, die wir schon kennen. Indem Unternehmen Reisende beispielsweise dazu anregen, bei Inlandsreisen auf den Zug anstelle des Flugzeugs zu setzen, können sie grünes Geschäftsreiseverhalten fördern. Oft ist diese Option aber noch mit dem Vorurteil behaftet, dass man länger und ggf. weniger komfortabel unterwegs ist. Da braucht es oft ein wenig Überzeugungsarbeit.

Unterstützung bieten da auch digitale Lösungen, die unterwegs auf das nachhaltigste Fortbewegungsmittel – zum Beispiel für den Transport vom Flughafen zum Hotel – hinweisen. Auch hier ist es wichtig, regelmässig Feedback von den Mitarbeitenden zu den eingesetzten Tools und definierten Richtlinien einzuholen. Durch das Anbieten von verschiedenen Auswahlmöglichkeiten und nutzerfreundlichen Lösungen lassen sich Widerstände seitens der Mitarbeitenden abbauen.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass die Umweltauswirkungen von Geschäftsreisen für viele Mitarbeitende schwer greifbar sind. Indem Unternehmen den CO2-Fussabdruck von Transportmitteln bereits bei der Buchung transparent ausweisen, können sie Mitarbeitende dafür sensibilisieren. Das führt im Idealfall dazu, dass sie eigenverantwortlich auf nachhaltigere Reiseoptionen umsteigen.

Welche Schlupflöcher sind unbedingt zu schliessen?

Wenn Buchung und Abrechnung von Geschäftsreisen automatisiert erfolgen, können nachhaltige Richtlinien im digitalen Reisemanagement-Tool einfach hinterlegt werden. Via SAP-Concur-Lösungen ist es beispielsweise möglich, Buchungen ausserhalb der Richtlinie einzuschränken und die Buchung nicht konformer Optionen innerhalb des Systems von der Führungskraft freigeben zu lassen.

Im Nachgang werden die Belege bei der Abrechnung automatisch hinsichtlich der Unternehmensrichtlinien überprüft. Der Compliance im Buchungs- und Abrechnungsprozess steht damit nichts mehr im Weg.

Aus meiner Sicht sollten Unternehmen die digitalen Tools jedoch nicht allein als Werkzeug für die Einhaltung von Reiserichtlinien verstehen. Im Nachhaltigkeitskontext bieten sie den Mitarbeitenden die Chance, selbst nachzuvollziehen, welche Umweltauswirkungen aus ihrem Reiseverhalten resultieren. Statt ihre Energie darauf zu verwenden, Schlupflöcher zu schliessen, können Unternehmen so ihre Mitarbeitenden stärker in die Pflicht nehmen, ihren CO2-Fussabdruck eigenverantwortlich zu managen.

Interview: Christian Maurer

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