«Entscheide zu Lasten des Gewinns sind möglich»

Der CEO der Welcome Hotels über die Herausforderungen im aktuellen Umfeld, digitale Entwicklungen und Expansionsprojekte.

Herr Wohlgemuth, wie schätzen Sie die aktuelle Lage im Tourismus und in der Hotellerie der Schweiz ein?

Die Ferienhotellerie ist in einer schwierigen Situation. Die Preise dort sind höher und der Tourist hat eine grosse Auswahl an Zielen und ähnlichen Produkten im nahen Ausland. In den Städten sieht es besser aus. Beim Business Traveller ist das Ziel meistens vorgegeben. Zusätzlich gibt es noch den normalen Städtetourismus, bei dem jemand wegen der Kultur und dem Shopping anreist.

Inwieweit ist Ihr Unternehmen von der Krise betroffen?

Kaum, da wir auf der Achse Zürich–Baden–Bern–Basel tätig sind. Aber das Hotelangebot, vor allem in Zürich, wird immer grösser und die Nachfrage stagniert. Das Wachstum des Flughafens hilft, die zusätzlichen Zimmer im Markt zu absorbieren. Es gibt einen Verdrängungskampf, nur mit Spezialisierung hat man eine Überlebenschance. Sobald man auswechselbar ist, wird es schwierig.

Ist man in der Schweiz genügend innovativ?

An den Destinationen, an denen wir tätig sind, hat man die Entwicklungen nicht verschlafen. In anderen Ländern wurden neue Hotelkonzepte wie Design- oder Online-Hotels schneller verwirklicht. Internationale Gruppen drängen mit solchen Konzepten nun auch in den Schweizer Markt. Gegenüber diesen müssen wir uns natürlich auch differenzieren.

Bei der Dienstleistung, Ordnung oder Sicherheit muss die Schweiz den Vergleich mit den Nachbarn nicht scheuen. Dass wir 10 bis 20% teurer sind, können wir nicht wegdiskutieren. Wenn wir die Spezialisierung weiter vorantreiben und die Veränderungen in der Gesellschaft, wie etwa die Überalterung oder die veränderten Bedürfnisse der jungen Menschen, aufgreifen, dann habe ich kein schlechtes Gefühl.

Was ist Ihr grösstes Anliegen an die Verbände und die Politik?

Dass die Rahmenbedingungen weiterhin gut sind, z.B. im Bereich Mehrwertsteuer und bei der Personenfreizügigkeit. Vor allem, dass wir weiterhin auch Mitarbeitenden von ausserhalb der EU anstellen können, was bei uns mit dem teilweise asiatischen Gastro-Angebot sehr wichtig ist. Und wir müssen unser Berufsbild noch besser darstellen. Wir haben ganz tolle Berufe, die in der Gesellschaft noch immer nicht den Status haben, den sie eigentlich verdienen. Nachwuchs und Ersatz finden wir, aber es ist immer eine Frage der Qualität.

Wir müssen mehr an das Herzblut appellieren, das bei vielen durchaus vorhanden ist. In unserer Branche kommt man mit Menschen zusammen und geniesst innerhalb gewisser Rahmenbedingungen Freiräume, die in anderen Berufen nicht möglich sind.

Wie stehen Sie zur digitalen Entwicklung, Stichworte Vertrieb, Buchungs- und Bewertungsportale?

Das ist ein sehr wichtiger Bereich. Die gesamte 360-Grad-Reise des Gastes und das Inhouse-Prozedere vom Einbis zum Auschecken ist davon betroffen. Wir müssen uns folgende Fragen stellen: Was passiert vor der Anreise? Wie informiert sich der Gast? Wie wird er auf unser Angebot umgeleitet? Wie einfach ist der Buchungsvorgang? Über welche Kanäle sind wir buchbar? Ist die Vergleichbarkeit gegeben? Und ganz wichtig: Wie ist die Bewertung? Die Réception als Dreh und Angelpunkt wird es weiterhin geben, aber sie wird sich vermehrt Guest-Relation- Funktionen widmen.

Stören Sie sich nicht an den hohen Kommissionen solcher Portale?

Für uns ist das stimmig, wenn wir Partner haben, die uns den Vertrieb abnehmen, ob in der Schweiz oder international. Das kostet zwar etwas, aber die nehmen für uns die Sales- und Marketingtätigkeit wahr. Wenn wir das alles selber machen müssten, wäre das ein unglaublicher Aufwand, der auch Geld kostet. Über alles gesehen, helfen uns diese Vertriebsplattformen eher, als dass sie uns schaden. Das sind geschätzte Partner, die Kommission darf einfach nicht erhöht werden.

Was wären die Folgen einer Erhöhung?

Die Bruttowertschöpfung im Hotel liegt je nach Betrieb zwischen 15 und 20%. Wenn man dann 20% Kommission zahlen muss, wird es eng. Letztlich fehlt Geld für Investitionen. Wenn es beim jetzigen Kommissionssatz bleibt, finde ich das absolut in Ordnung. Kein Hotelier kommt ohne diese Plattformen aus. Ich glaube, dass es in Zukunft die hoteleigenen klassischen Marketingund Sales-Aufgaben nicht mehr geben wird. Wir können uns dann voll auf unser Kerngeschäft, die Kunden und damit die Hospitality konzentrieren.

Wird die Konsolidierung in der Hotellerie weitergehen?

Ja, denn auf der einen Seite kommen immer mehr internationale Ketten in die Schweiz, auf der anderen Seite verschwinden vor allem KMU-Familienbetriebe, weil sie keine Nachfolge finden, nicht einmal in der eigenen Familie. Dann fehlt oft auch das Geld für Investitionen. Die Konsequenz sind grössere Betriebe und internationale Häuser. Tendenziell wird es weniger private, selbst geführte Häuser geben, dafür mehr fremdgeführte und grössere Betriebe. In städtischen Gebieten hingegen werden kleinere Betriebe weiterhin eine Daseinsberechtigung haben als Ausgleich zu den grossen Häusern.

Wie positionieren Sie die Welcome Hotels?

Als Geschäftshotels, vorwiegend im Dreisterne- bis Dreisterne-Superior-Segment, an möglichst zentraler Lage. Das ist das, was wir können. Wir haben ein spezielles Philosophie-Konzept: Der Gast soll spüren, dass wir Gastgeber mit Herz sind. Die Leitbilder haben wir gemeinsam mit dem Team erarbeitet. Letztlich geht es immer um das Verhalten gegenüber dem Gast. Er soll eine familiäre Atmosphäre erleben, sich willkommen fühlen und unkompliziert sowie flexibel bedient werden.

Wie haben Sie das Unternehmen strukturiert?

Welcome Hotels ist zu 100% in unserem Familienbesitz. Meine Eltern, Hansjörg und Angelika Wohlgemuth, haben mit dem Hotel Welcome Inn in Kloten im Jahre 1973 den Grundstein gelegt. Das enorme Wachstum des Flughafens hat uns bei der Expansion natürlich geholfen. Die Gaho Holding AG als zentrale Verwaltung kümmert sich um alle Dienstleistungen für unsere Betriebe. Dazu gehören Marketing, Sales, HR, Buchhaltung, Technik und Administration. Dort beschäftigen wir rund 20 Mitarbeitende.

In der Gaho Betriebs AG haben wir die Liegenschaften zusammengeführt. Ausser dem Du Parc in Baden, das wir verkauft haben, gehören uns alle Betriebe. Die Gaho Holding wiederum ist das Dach über allem und hält Beteiligungen an den einzelnen Betrieben. Operativ hat sie keine Aufgaben.

Was ist das Ziel dieser Zentralisierung?

Die Leiter in den einzelnen Betrieben sollen sich um die Gäste und die Mitarbeitenden kümmern können. Das ist der Unterschied zu grossen internationalen und börsenkotierten Ketten, wo die Hoteldirektoren als Manager angestellt sind und knallhart Resultate abliefern müssen, koste es, was es wolle. Manchmal sogar auf dem Buckel der Mitarbeiter oder des Gastes. Wir als Familienunternehmen können uns auch erlauben, mal einen Entscheid zu Lasten des Gewinns zu treffen.

Wie viele Mitarbeitende haben Sie und welchen Umsatz erzielen Sie?

Wir haben 260 Vollzeitmitarbeitende und 60 Teilzeitangestellte für neun Hotels mit 678 Zimmern, 41 Apartments und neun Restaurants. Früher trug der Gastronomieumsatz und der Logement-/ Seminarumsatz je 50% zum Gesamtumsatz bei. Heute erzielen wir mit der Gastronomie CHF 16 Mio., mit dem Logement/Seminar CHF 24 Mio.

Müssen Sie da im Bereich Gastronomie nicht Korrekturen vornehmen?

Wenn wir Restaurants und Gastrobetriebe haben, dann wollen wir die auch gut betreiben. An Standorten, für die wir einen attraktiven Mieter mit einem überzeugenden Gastrokonzept finden, machen wir das nicht mehr selber. Wie zum Beispiel im Hotel Stücki in Basel mit dem Partner Blockhaus, oder mit Meats Steak & Wine, welche ab September 2016 im Hotel Welcome Inn in Kloten die Gastronomie übernehmen werden. Diese Entwicklung hat vor allem auch mit der Wertschöpfung zu tun, die Gastronomie wirft unter dem Strich kaum mehr etwas ab.

Wie steht es um den aktuellen Geschäftsgang?

Wir sind auf Vorjahresstand und auf Budgetkurs, was schon mal positiv ist. Das zeigt mir, dass die Gäste mit unseren Leistungen zufrieden sein müssen. Wenn wir mit 2014 und 2013 vergleichen, als wir rund 8 bis 10% mehr Umsatz generierten, sind wir natürlich nicht zufrieden. Saisonale Schwankungen gibt es, vor allem November bis Januar sind meistens schwächer. Dafür können wir bis zum Sommer ein Polster anlegen, um diese Rückgänge über das Jahr hinweg aufzufangen.

Haben Sie sich bewusst auf Zürich, Bern und Basel konzentriert?

Ja, denn hier spielt die Musik. Genf oder Luzern wären zwar interessant. Am besten wären Standorte mit einer Erreichbarkeit von max. zwei Stunden von Kloten, damit eine gewisse Nähe zur Zentrale gegeben und damit die Betreuung und Dienstleistungen gewährleistet wären. Nicht zu unterschätzen sind die kulturellen und sprachlichen Unterschiede, wenn wir im Tessin oder in der Westschweiz präsent wären. Was waren die Gründe für den

Verkauf des Du Parc in Baden?

Die Hotel Du Parc Baden AG und die Liegenschaft, welche Teil der Gaho AG war, sind an neue Besitzer übergegangen, die nicht genannt werden möchten. Teil des Verkaufs war aber die Bedingung des neuen Besitzers, dass wir das Hotel innerhalb eines Management-Vertrags weiter führen. Mit dem Verkauf des Du Parc konnten wir die finanziellen Mittel für ein neues Projekt in Kloten freimachen.

Von welchem Projekt sprechen Sie?

Wir realisieren hier in Kloten die Allegra Lodge, ein Hotel im urban-alpinen Stil, das direkt mit dem bestehenden Hotel Allegra verbunden sein wird. Die Lodge wird über 72 Zimmer und 14 Serviced Apartments sowie ein Seminarangebot bis 80 Personen und einen Frühstücksraum verfügen. Die Gastronomie wird im Hotel Allegra angeboten. Die Eröffnung ist für Ende 2017 geplant. Das Hotel wird im Dreisterneoder Dreisterne-Superior-Segment positioniert sein. Mit dem urban-alpinen Stil wollen wir uns abheben. Holz und Steine werden vorherrschende Materialien sein, das Ganze modern interpretiert. Es ist eine Weiterentwicklung von dem, was wir schon im Hotel Alpenblick in Bern umgesetzt haben.

Um den Flughafen entstehen noch weitere Hotels. Braucht es da noch Ihr Projekt?

Es ist ein grosses Risiko, denn im Grossraum Zürich werden noch rund 800 Hotelzimmer realisiert. In der Kombination mit unserem Hotel Allegra, das ein Viersterne-Haus ist, glauben wir aber voll an den Erfolg. Wir können Synergien nutzen, etwa beim Housekeeping, dem Seminarangebot, der Gastronomie, dem Hotelbus und vielem mehr. Im Gegenzug werden wir die Zimmer im Hotel Airport Glattbrugg in grössere Hotel-Apartments für Langzeitaufenthalte umbauen. Im Nebengebäude haben wir bereits 32 kleinere Apartments. Wir nehmen damit 44 Hotelzimmer vom Markt und bringen in der Allegra Lodge 72 neue Zimmer. Der Umbau des Airport Hotels beginnt im März 2017, das erfolgreiche Gastronomiekonzept bleibt aber bestehen.

Wie wichtig ist das MICE-Geschäft?

Auch wenn der Anteil am Gesamtumsatz unter 10% liegt, ist es wichtig. Es hilft uns in der Zwischensaison, ist ein Zusatzgeschäft, das einen gewissen Basisumsatz generiert, und es ist ein Geschäft, das Spass macht und die Häuser belebt. Wir haben kein ausgesprochenes Tagungshotel, sind aber überaus flexibel und überzeugen – vor allem für kleinere Veranstaltungen, Sitzungen, Produktpräsentationen und Schulungen – als professioneller Partner. Meistens handelt es sich um Tagesevents, auch wenn wir mit unseren Zimmerkapazitäten auch für kleinere mehrtägige Meetings geeignet sind. In Basel mit der grossen Anzahl an Messen haben wir zahlreiche Zimmerbuchungen aus dem Messebereich. Die Aufenthalte werden aber immer kürzer.

Welcome Hotels wird teilweise als etwas hausbacken, nicht state of the art, wahrgenommen. Was entgegnen Sie darauf?

Das hat eine gewisse Berechtigung. Wir sind aus der Geschichte heraus gewachsen. Ich darf jetzt seit gut fünf Jahren weiterentwickeln, was meine Eltern begonnen haben. Im Laufe der Zeit kamen immer wieder individuelle Betriebe mit ihrem ganz eigenen Stil dazu. Es gibt keinen roten Faden, keine Corporate Identity durch alle unsere Häuser. Diese Individualität wollen wir beibehalten, nicht die Marke Welcome Hotels soll im Vordergrund stehen.

Durch diese bunt zusammen gewürfelte Familie an Hotels gibt es den einen oder anderen Stilbruch. Wir sind nun aber daran, zwei bis drei Schienen zu etablieren, so etwa die Linie Urban Style mit der neuen Allegro Lodge, oder Budget Design mit dem Umbau sämtlicher Zimmer im Welcome Inn. Wir werden aber nie ein Einheitsbrei sein. Unser Konzept heisst: Individuelle, selbstständig geführte Betriebe unter der Dachmarke Welcome Hotels.