Konsternation über den Verlauf der Härtefall-Debatte

Veranstaltungs- und Schaustellerbranche der Schweiz ärgert sich über den Bundesrat.
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Die Veranstaltungs- und Schaustellerbranche ist konsterniert über den Prozess von Bund und Kantonen im Umgang mit den dringend nötigen Härtefallmassnahmen und der geplanten Unterstützung für die Veranstaltungs- und Schaustellerbranche der Schweiz. Die Branchenverbände sind unzufrieden mit den getroffenen Massnahmen, dem langsamen Verlauf und die sich abzeichnende ungenügende Hilfe. Sie fordern weiterhin mit Nachdruck, dass die Behörden bei der Härtefall-Regelung im Rahmen des Covid-19-Gesetzes sein Versprechen wahrmacht und nun effektiv hilft. Ein Lichtblick sind die kürzlich von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) gefassten Mehrheitsanträge für Änderungen im Covid-19-Gesetz.

Die Veranstaltungs- und Schaustellerbranche steht aufgrund der Corona-Pandemie komplett still. Den betroffenen Unternehmen ist seit mittlerweile neun Monaten ein faktisches Berufsverbot auferlegt. Die Auftragsbücher sind wegen einer totalen Stornierungswelle leer – Neuaufträge fehlen im Gegenzug komplett. Wegen der langen Vorlaufzeit für Jahrmärkte, Veranstaltungen oder Messen, besteht frühestens ab dem 2. Halbjahr 2021 Aussicht auf Besserung. Den Branchen fehlen alle Einnahmen, wohingegen die Fix- und Infrastrukturkosten unverändert weiterlaufen. Ohne das Eingreifen des Bundes respektive ohne umgehende und unbürokratische A-Fonds-Perdu-Beiträge droht ein Massensterben der betroffenen Unternehmen.

Vergangene Woche hat der Bundesrat entschieden, dass die Gesamtsumme der Unterstützung von Bund und Kantonen für Härtefälle auf 1 Milliarde erhöht wird. Dies wurde von den betroffenen Branchen mit grosser Erleichterung zur Kenntnis genommen. An seiner Sitzung vom letzten Mittwoch hat der Bundesrat jedoch darauf verzichtet, die weiteren von der schwer gebeutelten Veranstaltungs- und Schaustellerbranche gemachten Eingaben zu berücksichtigen. Nun hat auch die WBK-N die Umsatzschwelle von 100’000 Franken kritisiert, die der Bundesrat in der Covid-19-Härtefallverordnung für den Anspruch auf Härtefallmassnahmen festgelegt hat. Sie beantragt ihrem Rat deshalb mit 13 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen, im zentralen Artikel 12 des Gesetzes eine Umsatzschwelle von 50’000 Franken aufzunehmen. Weiter will sie diesen Artikel dahingehend ergänzen, dass auch der Anteil ungedeckter Fixkosten zu berücksichtigen ist und dass einem Unternehmen verschiedene Arten von Beihilfen gewährt werden können, sofern dessen Tätigkeitsbereiche klar abgegrenzt sind.

Christoph Kamber, Präsident von Expo Event Swiss LiveCom Association, erklärt: «Die durch die Verordnung des Bundes geschaffenen Rahmenbedingungen für den Anspruch auf Härtefallhilfe ist sehr restriktiv. Viele unnötige und nicht nachvollziehbare Hürden wurden eingebaut, sodass viele Unternehmen von der benötigen Hilfe ausgeschlossen bleiben. «Wir lassen sie nicht im Stich – Hilfe kommt» hiess es noch vor nicht allzu langer Zeit. Leider scheint es so, dass genau das Gegenteil nun eintritt. Wir sind nicht zufrieden und fordern, dass das Parlament nächste Woche korrigierend eingreift!»

Gemäss der bundesrätlichen Medienmitteilung erfolgte die Erhöhung des Mindestumsatzes von 50’000 auf 100’000, damit die knappen administrativen Ressourcen der Kantone nicht für die Abwicklung von Anträgen von Kleinstunternehmen beansprucht werden.

Zudem sollen gemäss Bundesrat, gestützt auf das ebenfalls im Covid-19-Gesetz verankerte Doppelsubventionierungsverbot, Unternehmen von der Härtefallregelung ausgeschlossen werden, die Anspruch auf branchenspezifische Covid-19-Finanzhilfen des Bundes in den Bereichen Kultur, Sport, Medien und öffentlicher Verkehr haben.

Die Veranstaltungs- und Schaustellerbranche fordert konkret:
  • Reduktion der Eintrittsschwelle auf CHF 50’000
  • Die Anhebung der Höchstgrenze für nicht rückzahlbare Beiträge auf 30% des Jahresumsatzes 2019 und die Streichung der Höchstgrenze pro Unternehmen
  • Kantonsübergreifende, einheitliche Kriterien und Verfahren zur Beurteilung und Zulassung für Härtefall-Massnahmen mit Vorleistungspflicht durch den Bund für den 1. Teil der Finanzhilfe von 400 Mio. Franken
  • Der Anteil ungedeckter Fixkosten ist zu berücksichtigen
  • Unternehmen mit einer Beteiligung der öffentlichen Hand dürfen ausgeschlossen werden, wenn diese grösser als 50% ist
  • Aufhebung des Doppelsubventionierungsverbots (MICE-tip)