Verhandeln – eine Kunst?

Feilschen und «määrten» ist Teil des täglichen Geschäfts. Aber was ist die richtige Verhandlungstaktik?
Hände

Lieben Sie es zu feilschen? Oder bevorzugen Sie klare Nettopreise? Wie gehen Sie mit Kunden um, die immer wieder nach dem «best price» fragen, obwohl doch die Preisliste klar lesbar aufliegt? Wie bereiten Sie sich auf eine Verhandlung mit den Naturschutzorganisationen vor, von denen Sie endlich grünes Licht zum lange geplanten Erweiterungsbau Ihres Hotels benötigen?

Verhandeln, feilschen, «määrte» ist Teil des täglichen Geschäfts, obwohl wir uns dessen meist gar nicht bewusst sind. Wir staunen mit Respekt über jene, die erfolgreich Verhandlungen führen. Dabei gehören das Ausloten von Positionen, das Beharren und das Nachgeben, die Suche nach Kompromissen und das einvernehmliche Abschliessen des erreichten Resultats zum kleinen ABC der richtigen Verhandlungstaktik.

Ein paar Beispiele gefällig: Die Diskussion mit dem vierjährigen Sprössling, der am Abend noch eine Stunde vor dem Fernseher herausholen will. Die Lohnverhandlung mit der Nachwuchsreceptionistin, die mehrsprachig, sympathisch und selbstsicher ist und entsprechend auch weiss, dass sie durchaus eine Stelle finden wird. Oder Sie selber, wenn Sie gegen Abend auf einer Ferienreise noch ein Zimmer benötigen und feststellen, dass im Ort Ihres Zwischenstopps mehrere Häuser noch freie Betten haben.

Eigenartig dennoch, dass die elementaren Kenntnisse der Verhandlungsmechanismen nicht zum Basiswissen gehören. Hier daher ein Versuch, in Kürzestform einige dieser Elemente festzuhalten.

Verhandeln kann man lernen

Die Geister scheiden sich zwar ob dieser Feststellung. Die einen sollen ‹es› können, anderen liege ‹es› halt nicht. Und die beste Schule in diesem Bereich sei sowieso die erlebte Praxis. So werden gemachte Misserfolge, schlechte Ergebnisse schön geredet.

Verhandeln ist eine Frage der eigenen Geschäftseinstellung!

Geht es mir darum zu siegen? Oder will ich mit meinem Vis-à-vis eine für beide Seiten akzeptable Lösung erreichen? In den Verhandlungstrainings werden wir mit Aussagen konfrontiert, wonach im ‹heutigen harten Businessleben› nur der ‹Sieg› zähle. Mag sein – wir verfolgen einen anderen Ansatz. Im Zeitalter von Social Media, von Facebook und Bewertungsportalen verbreiten sich die negativen Erfahrungen des Besiegten schneller als dem Sieger lieb ist!

Gute Verhandlungen schaffen Win-win-Situationen

Für beide Parteien – für alle Beteiligten – stimmt im Idealfall das Resultat. Die Geschäftspraxis ist zwar meist kein Idealfeld, aber eine auf Langfristigkeit ausgerichtete Geschäfts- und Verhandlungspraxis zahlt sich für all jene aus, die nicht als Eintagsfliege wirken wollen. Die gute Mund-zu-Mund- oder Facebook-zu-Facebook-Reklame ist im Übrigen immer noch die beste PR. Aber Achtung: Win-win ist nicht mit dem gerade noch akzeptablen schlechten Kompromiss zu verwechseln.

Der gute Verhandler kennt sich selber…

Wie wirkt mein Auftreten, mein Handeln? Lade ich geradezu dazu ein, den Preis noch mehr zu drücken? Wie reagiere ich unter Stress? Kenne ich meine Möglichkeiten und Spielräume?

…und bereitet sich auf das Visà- vis vor

Mit wem habe ich es zu tun? Was sind die Anliegen der ‹anderen› Seite? Welche Einstellungen, Grundhaltungen bringt er oder sie in die Verhandlungen ein – wie wirkt sich der kulturelle Hintergrund aus?

Gute Verhandler können Person und Sache trennen

Einfache Fragen helfen auch da: Geht es mir um die Sache? Geht es mir darum, die Person zu beeinflussen? Letzteres ist meist kontraproduktiv. Und: Bin ich Teil der Lösung oder Teil des
Problems?

Erfolgreiches Verhandeln

Es gibt Verhandlungsspielraum

Es macht keinen Sinn, über einen klar definierten Preis zu diskutieren, wenn die Situation, das Unternehmen oder die zu respektierenden Vorgaben von oben keinen Spielraum lassen. Aber
es macht durchaus Sinn zu überlegen, «wie sich der Kuchen vergrössern lässt». Je nach Verhandlungsgegenstand können auch Verknüpfungen mit weiteren Feldern helfen. Und als kleiner Tipp: Bei der Suche nach der zusätzlichen Kirsche, die noch zum Kuchen hinzu angeboten wird, ist Kreativität erlaubt. Das Upgrading in die nächsthöhere Zimmerklasse ist mittlerweile (fast) Standard geworden. Die Frage hier: Was dient meinem Vis-à-vis? Was
verschafft ihm echten Mehrwert?

Ich verhandle – aber ich kenne auch die rote Linie

Das «Bis hierher und nicht weiter» bedingt auch, dass ich mir ein Scheitern der Verhandlung erlauben will und kann. Wer mit dem Rücken zur Wand steht und einen Abschluss, eine Buchung um jeden Preis nötig hat, ist in einer unglücklichen Verhandlungsposition.

Hart in der Sache – weich im Ton

Ein Lächeln hilft immer, in allen Verhandlungsherausforderungen, ungeachtet der Herkunft des Vis-à-vis. Und zu guter Letzt: Lehren ziehen, lernen! Jede Verhandlung ist immer auch wieder
Grund für die kritische Selbstreflexion. www.bipol.ch


 

Der Autor

David-André Beeler, Jahrgang 1960, ist Betriebswirtschafter, Trainer und Mitinhaber der Bipol Bildung Partner GmbH. Er unterstützt Firmen und Institutionen in der Personal- und Kaderentwicklung und schult Teams in den Grundmechanismen des «guten Verhandelns».

David-André Beeler