«Wer sich nicht klar positioniert, geht unter»

Herr Thomann, von der Luxushotellerie im Schweizerhof Bern zu den Sorell Hotels mit 17 Häusern im Drei- und Viersternbereich: wie schwierig war die Umstellung? Eigentlich gar nicht schwierig. Die Ansprüche der Gäste sind absolut dieselben, unabhängig von der Sternekategorie. Dass wir Gäste nach spätestens 30 Sekunden mit Blickkontakt und Namen begrüssen oder nach der Warteschleife
Sorell Hotel
Das Sorell Hotel Zürichberg.

Herr Thomann, von der Luxushotellerie im Schweizerhof Bern zu den Sorell Hotels mit 17 Häusern im Drei- und Viersternbereich: wie schwierig war die Umstellung?

Eigentlich gar nicht schwierig. Die Ansprüche der Gäste sind absolut dieselben, unabhängig von der Sternekategorie. Dass wir Gäste nach spätestens 30 Sekunden mit Blickkontakt und Namen begrüssen oder nach der Warteschleife nicht fragen «Sind Sie noch da?», sondern sagen «Danke fürs Warten Herr Thomann», das sind Verhaltensmuster, die zu unserer neuen Marke Sorell Hotels gehören. Ob solche Dinge sich durchsetzen, steht und fällt damit, ob der General Manager des Hotels dieses Verhalten vorlebt.

Sie wollen die Sorell Hotels zu einer Marke machen, u.a. mit 300 Service- Standards. Was steckt dahinter?

Hier gilt unser Motto: Gelebte Individualität und standardisierte Qualität ergeben eine unterscheidbare Identität. In der Praxis bedeutet dies, dass es für den Gast immer einen Begrüssungsdrink gibt. Welcher das ist, überlassen wir den Häusern selbst. Somit verbinden wir Elemente aus der Ketten- mit denen der Einzelhotellerie.

Sie haben den «Sorell-Knigge» erfunden. Können Sie solch ein Instrument weiterempfehlen?

Ja. Wichtig in diesem Knigge ist, dass wir den Leuten nicht sagen: «Du sollst freundlich sein.» Wir geben ihnen Anregungen, wie sie das tun können. Z. B. stellen wir dem Gast bei der An- und Abreise eine persönliche Frage. Diese könnte lauten: «Wie war Ihr Abendessen gestern?» statt «Hatten Sie einen schönen Aufenthalt?» Oder: «Grüezi Herr Maier, schön Sie kennenzulernen», statt «Hatten Sie eine gute Anreise?»

Auf wieviel Widerstand stossen Sie beim Durchsetzen der Standards?

Auf Widerstand stossen wir eigentlich nicht. Da wir aber grossen Wert darauf legen, dass die Standards nicht nur bekannt sind, sondern auch gelebt werden, dauert die Implementierung etwas länger und geht auch nicht in jedem Haus gleich schnell voran. Erfreulicherweise haben wir in der Gästebewertung schon grosse Fortschritte gemacht. Unser Ziel ist es, dass die Zufriedenheit stabil auf einem hohen Niveau ist. Die konstante Qualität ist es, mit der wir uns dem europäischen Wettbewerb stellen müssen. Ausserdem ist es unser Ziel, dass der Gast
künftig weiss, was er erwarten kann, wenn er in ein Sorell Hotel kommt. Die Individualität der Häuser soll jedoch unbedingt erhalten bleiben.

Sie haben die Häuser auch technisch vereinheitlicht. Was können Sie jetzt, was vorher nicht ging?

Vorher gab es 17 einzelne Server, die wir neu zu einem professionellen Hotelmanagement-
System zusammengeschlossen haben. So wird z. B. Crossselling möglich, d. h. wenn in einem Hausalle Zimmer besetzt sind, können wir sehen, in welchen Häusern noch Zimmer zu welchem Preis frei sind und diese dem Gast anbieten. Auch ein Gästeprofil gibt es, das uns u. a. sagt, welche Vorlieben ein Stammgast hat (z. B. zwei Kissen im Bett). Neu gibt es ein Revenue-Management, wo die Preise den ganzen Tag hindurch automatisch angepasst werden und auch die Raten der Mitbewerber einlaufen. Zudem haben wir eine eigene Buchungsmaschine, die wir sehr pushen. Wir wollen nicht Gefahr laufen, dass fremde Portale
Herr über unsere Buchungen und Zimmerkontingente sind.

Die Sorell Hotels sind unter dem ZFV-Dach in zehn Jahren von vier auf 17 Häuser gewachsen. Was waren die Herausforderungen?

Der Vorteil ist, dass der ZFV als Genossenschaft seine Gewinne vorwiegend in den Kauf neuer Hotels und in den Unterhalt der bestehenden Hotels investieren kann und keine Shareholder befriedigen muss. Es wurde in die richtigen Häuser an der richtigen Lage investiert. Diese werden nun nach und nach auf Sorell umgestaltet. Die Interior- Design-Firma MKV aus London setzt dort sehr auf die Geschichte der einzelnen Häuser. Was überall gleich wird, ist z. B., dass es keine Lobby mehr geben wird, sondern eine Art Wohnzimmer mit «Coming Home Feeling». Auch die Gästezimmer bekommen ein neues Design. Ein Musterzimmer entsteht derzeit in der Krone Winterthur.

Welche Extras gibt’s für Gäste?

Wir setzen auf das Frühstück mit regionalen Produkten in sehr hoher Qualität und auf die Bettenausstattung, da bewegen wir uns im Fünf-Sterne-Bereich und es kostet uns nur ein paar Rappen mehr pro Logiernacht. Aber auch Kleinigkeiten wie Kaffee und Gipfeli to go für Business-Gäste oder ein geplanter «Local Guide» mit Städtetipps unserer Mitarbeitenden sind solche Besonderheiten.

Wie motivieren Sie Mitarbeitende?

Hier sind wir auf unsere Weiterbildungen und das Talentmanagement stolz. Wir setzen sehr auf die Förderung motivierter Mitarbeiter und wollen ihnen Chancen geben, zu wachsen und mehr Verantwortung zu übernehmen. Das ist ein grosser Motivator.

Welche Rolle spielt bei Ihnen das MICE-Geschäft?

Acht unserer 17 Hotels sind auf Meeting- Gäste ausgelegt. Dank unserer Grösse können wir sehr flexibel operieren, so dass das MICE-Geschäft zu einer wertvollen Ergänzung wird. Dafür machen wir sehr viel und passen das Angebot auf die Bedürfnisse der Kunden individuell an. Vom Umsatz macht das MICE-Geschäft bei uns zirka 12 bis 15% aus.

Wie, denken Sie, werden sich die Schweizer Hotellerie und ihr Umfeld mittelfristig verändern?

Der Margendruck wird steigen, unter anderem auch in Zürich. Hier wächst meines Erachtens das Angebot schneller als die Nachfrage. Um nicht unterzugehen, muss man eine ganz klare Positionierung haben. Beispiel Motel One: Kaum Service, dafür zentrale Lage und gutes Design zu einem sehr günstigen Preis. Oder Baur au Lac: Perfekter Service, höchste Qualität zum entsprechenden Preis. Wer «08/15» und «me too» anbietet, wird unter Druck kommen. Ebenso wie Hotels unter 50 Zimmern, die keine Gruppe oder Kooperationen im Rücken
haben.

Und was sollen die Sorell Hotels in den nächsten 15 Jahren noch erreichen?

Die Marke Sorell soll bis dahin einen hohen Bekanntheitsgrad aufweisen und für eine ausgezeichnete Qualität stehen, die über den Erwartungen des herkömmlichen Drei-und Vier-Sterne- Bereichs steht. Wir wollen weiterhin persönlich und individuell geführt sein, mit klar etablierten Standards. Und: Wir wollen weiter wachsen. Bis in 15 Jahren soll die Sorell-Gruppe über 30 hochwertige Häuser in der ganzen Schweiz verfügen. www.sorellhotels.com


Michael Thomann

Der COO Hotels der ZFV-Unternehmungen übernahm im April 2014 die Leitung der Sorell Hotels. In 100 Tagen erarbeitete er eine Strategie für die Neuausrichtung der Dachmarke. Seit Juli 2015 sind die Massnahmen im neuen Corporate Design sichtbar. Vorher leitete der gelernte Konditor, diplomierte Hotelier und Betriebsökonom das Hotel Schweizerhof in Bern und das Waldhotel in Davos.

Thomann