Zuerst die Spritze, dann das Vergnügen?

Sollen Besucherinnen und Besucher einen Impfausweis vorlegen, wenn sie einen kulturellen Anlass besuchen wollen?
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Sollen Besucherinnen und Besucher einen Impfausweis vorlegen, wenn sie einen kulturellen Anlass besuchen wollen? Die Veranstalter sind sich über künftige Massnahmen nicht einig.

Die Kulturszene liegt am Boden. Um ihr auf die Beine zu helfen, wird eine Frage heftig diskutiert: Sollen in naher Zukunft kulturelle Veranstaltungen nur für Besucherinnen und Besucher zugänglich sein, die gegen das Coronavirus geimpft sind? Der «Tages Anzeiger» hat sich bei Kulturschaffenden umgehört.

Dominik Müller, Mitinhaber des Musikclubs Exil in Zürich, antwortet klipp und klar: «Natürlich. Alles, was den Zeitpunkt für einen nachhaltigen und rentablen Betrieb näherbringt, begrüssen wir.»

Und Dominik Müller weist auf ein Defizit in der Debatte um das Coronavirus hin: «Wer nehmen will, muss auch geben. Diese Einsicht war meiner Meinung nach in den bisherigen zwei Wellen der Pandemie nicht sehr verbreitet. Das hat sich nicht nur in der katastrophalen Akzeptanz für die Covid-App gezeigt. Leider ist kaum zu erwarten, dass sich Leute, welche bezüglich dieser Art von Tracing Bedenken zum Datenschutz äussern, sich eine Impfung verpassen lassen, nur um die persönliche Bewegungsfreiheit in ihrer Freizeit zu vergrössern.»

Eine von vielen Möglichkeiten

Stefan Breitenmoser, Geschäftsführer der Swiss Music Promoters Association (SMPA), schliesst eine Impfung als eine von verschiedenen anderen Möglichkeiten, um eine Veranstaltung besuchen zu können, nicht von vorneherein aus. Allerdings sei es noch viel zu früh, diese Frage zu beantworten. «Man weiss einfach noch zu wenig über die Wirkungen.» Es brauche noch mehr Fakten und Informationen über den Schutz durch Impfungen und deren Langzeitwirkung sowie das Virus selbst und beispielsweise auch über die Aussagekraft von Schnelltests und anderen Alternativen.

Der Verband SMPA selbst, so Breitenmoser, habe über eine Impfpflicht noch nicht diskutiert, bisher stünden die Mitglieder weiteren Auflagen und Zwängen kritisch gegenüber. Darum sei es für Prognosen noch zu früh. «Auch die Praxis und die Akzeptanz in anderen Lebensbereichen werden entscheidend sein.»

An die Verbreitung des Impfstoffes dürften aber einige Veranstalter von Rock- und Popkonzerten grosse Hoffnungen knüpfen. Denn bei solchen Events ist das Gedränge – und damit die Gefahr einer Ansteckung – besonders gross. Das Vorweisen eines Impfausweises würde also nicht nur den Anlass selbst sicherer machen, sondern auch eine langfristige Planung ermöglichen.

Die meisten Kulturveranstalter sehen freilich im Moment keinen Grund, sich mit dem Thema Impfpflicht zu beschäftigen. So warten die meisten Museen weitere Anweisungen des Bundes ab: Das Kunsthaus Zürich etwa lässt verlauten, dass man sich an die behördlichen Vorgaben halte, die bisher noch keine Impfpflicht für Museumsbesucher vorsehen würden. «Die Impfpflicht ist in der Kompetenz des Kantons. Wir können daher derzeit keine weiteren Aussagen machen», schreibt das Kunstmuseum Bern. Und das Schweizerische Nationalmuseum «richtet sich – wie bei allen anderen Fragen rund um die Corona-Krise – nach den Weisungen und Empfehlungen der Behörden».

Ausführlicher ist die Antwort von Sam Keller, der einer Impfpflicht skeptisch gegenübersteht: «Die Fondation Beyeler wird auch in Zukunft die Massnahmen der Behörden solidarisch mittragen und kantonale wie nationale Vorgaben für Besuchende und Mitarbeiter umsetzen. Kunst und Kultur sind lebenswichtig und gesundheitsfördernd. Wir sind überzeugt, dass Museen durch Öffnung einen grösseren Beitrag zum Gemeinwohl leisten können als durch eine restriktive Einlasspolitik.»

Und Keller kommt zum Schluss: «Insofern möchten wir auch unserem Stiftungszweck treu bleiben und möglichst vielen Menschen den Zutritt zu unserem Museum ermöglichen. Solange die Sicherheit aller gewährleistet werden kann, ist die einseitige Einführung einer Impfpflicht keine Lösung für uns.»

Einen kleinen Schritt weiter in Richtung Impfpflicht gehen Theater und Oper, was wohl auch daran liegt, dass sie im Unterschied zu den Museen mehr Besucherinnen und Besucher zur gleichen Zeit auf engerem Raum unterhalten wollen. Barbara Higgs, Pressesprecherin des Schauspielhauses Zürich, nennt die Bedingungen für solche Massnahmen: «Voraussetzung ist, dass allen Menschen aller Altersgruppen der Zugang zu einer Impfung möglich sein muss. Und wenn diese Voraussetzung gegeben ist, wird diese Frage bestimmt nicht von den Institutionen individuell gehandhabt, sondern wird es hoffentlich eine einheitliche Lösung für jegliche Veranstaltungen geben.»

Ähnlich reagiert das Opernhaus Zürich: «Solange der Impfstoff nicht für alle Bevölkerungsgruppen verfügbar ist, ist das noch kein Thema.» Auch in der Kinobranche ist man zurückhaltend, was die Zukunft betrifft: So sieht etwa das Kino Riffraff in Zürich keine Notwendigkeit, «die Betriebswiederaufnahme mit einer Impfausweispflicht zu verbinden». (MICE-tip)