Noch einen Sommer lang Jungfraujoch unplugged

Jetzt ist der Top of Europe so entspannt zu besuchen wie nie – aber nicht mehr lange. Die Übersee-Touristen kommen sicher wieder.
Jungfrau. ©TI/CM

«Jährlich 1’000’000 Gäste» steht stolz auf der Zahnradbahn, die von Lauterbrunnen auf die Kleine Scheidegg fährt, dem Tor zum Jungfraujoch.

Derzeit sind es deutlich weniger. Eine Chance, den Top of Europe auf 3465 Meter über Meer entspannt zu sehen wie nie – sozusagen unplugged. Die Züge sind voll, aber nicht übervoll. Eine Sitzplatzreservation ist freilich dennoch ratsam.

Jungfraujoch. ©TI/CM

So bleibt der Ausflug ins Herzstück der Schweizer Alpen angenehm. Das übliche Gedränge auf den Aussichtsterrassen hält sich in Grenzen. Die phänomenale Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau und den diskret vor sich hinschmelzenden Aletsch-Gletscher lässt sich locker herumsparzierend bei einem Apéro an der Sphinx-Bar geniessen. Und die Wartezeiten in den Restaurants sind überschaubar, sogar im bedienten A-la-carte-Lokal Crystal, wo im Verlauf des Nachmittag immer Plätze frei werden.

Die günstigen Corona-Sonderangebotsbillete haben es vielen Schweizern nahegelegt, sich den berühmten Hotspot im eigenen Land einmal selber anzusehen, für den Chinesen, Inder, Russen und Amerikaner um die halbe Welt reisen. Was viele nicht wussten, wovon sie aber jetzt sicher auch überzeugt sind: Es stimmt eben schon, ein Besuch dort oben ist einfach grandios – die Bergwelt dort oben hat etwas Erhabenes, das einen mit allen Sinnen fesselt.

Jungfraujoch, Blick ins Tal. ©TI/CM

Die Luft ist dünn, dafür der Blick ins Tal bei schönem Sommerwetter so klar wie durch eine Lupe. Die Schneefelder an den Bergflanken wirken, als hätte sie noch nie jemand betreten. Ab und an erinnert ein Knacken oder eine kleine Dachlawine an die Gewalt, welche die Natur hier im Zaume hält. Und über allem kreisen und kreischen Bergdohlen – vermissen sie die die Chips und Sandwichkrümel, welche die Touristen in Normalzeiten fallen lassen?

 

Eigernordwand. ©TI/CM

Und schliesslich ist schon die Anreise ein Erlebnis. Mit der längsten durchgehenden Zahnradbahn Europas von Lauterbrunnen über die Kleine Scheidegg oder mit dem modernen Eiger-Express von Grindelwald via Eigergletscher, beides hat seinen Reiz. Wobei das fast ein wenig beklemmende Erlebnis, direkt unter der schroffen Eigernordwand zu stehen, gibt es nur an der Umsteigestation Kleine Scheidegg.

Sollten diesen Sommer die Touristen aus Übersee ausbleiben, ist dies die Gelegenheit, das Jungfraujoch nochmals total entspannt zu erleben. Ewig wird das nicht so bleiben – Chinesen, Inder, Russen und Amerikaner werden sicher wieder kommen. Zu schön ist es einfach dort oben!

(Christian Maurer)