Neue Wege im Flugvertrieb

Mit einer neuen Gebühr will die Lufthansa-Gruppe ein neues Zeitalter im Ticketvertrieb einläuten. Die Geschäftsreisebranche ist skeptisch.
Wispy clouds in blue sky

Seit die Lufthansa-Gruppe im Juni ihre neue Zusatzgebühr Distribution Cost Charge (DCC) angekündigt hat, beschäftigt das Thema auch die Geschäftsreisewelt intensiv. Dass Flugtickets von Swiss, Lufthansa und Co. nun plötzlich CHF 16 teurer sind, wenn sie über den klassischen Reisebüro-Weg gebucht werden, kommt bei den Profis nicht gut an. «Die Lufthansa riskiert ihr Firmengeschäft », ist der Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) sogar überzeugt. Rasch nach der Ankündigung der neuen Gebühr machte er eine Umfrage bei den Geschäftsreise-Verantwortlichen und kam dabei zum Schluss, dass es rund 70% der Unternehmen in Betracht ziehen würden, ihr Geschäft von der Lufthansa-Gruppe wegzusteuern und vermehrt auf andere Fluggesellschaften zu setzen.

Wie sieht es inzwischen, fünf Monate später, aus? Laut Gregor Koncilja, der bei der Swiss als Head of Global Key Accounts & Business Sales den Geschäftsreisebereich verantwortet, ist bei der Airline von einem Wegsteuern nichts zu spüren. Dass das Feedback aus der Branche nur negativ war, verneint er. «Wir haben viele konstruktive Gespräche mit Firmenkunden und Vertriebspartnern geführt. Dabei ging es nicht nur um die Distribution Cost Charge, sondern um die Gesamtsicht der distributiven Freiheit und der daraus resultierenden Opportunitäten », so Koncilja.

AUFTRAG ZUM WEGSTEUERN

Anders tönt es zum Teil, wenn man direkt bei den Geschäftsreisebüros nachfragt. «In vielen Fällen beauftragen uns die Firmenkunden, Alternativen zur Lufthansa-Gruppe zu buchen, um die DCC zu umgehen», heisst es bei American Express Global Business Travel. Man habe in den letzten Monaten zusammen mit den Kunden die Buchungsvolumen bei der Lufthansa-Gruppe überprüft und eruiert, welche Auswirkungen die DCC auf die gesamten Reiseausgaben habe.

Auch Kuoni Business Travel spürt, dass die Buchungen bei der Lufthansa-Gruppe etwas rückläufig sind, während die gesamten Flugbuchungen stabil bleiben. Serge Bacher, Head of Business Travel Switzerland, sagt aber auch: «Das Problem betrifft uns nur indirekt. Wenn man den Kunden sagt, dass es CHF 16 mehr kostet, sagen sie meistens nur: ‹Schon wieder!› Aber letztlich bestimmt der Kunde, wo wir buchen, und dabei spielt auch das Vielfliegerprogramm Miles & More der Lufthansa-Gruppe eine wichtige Rolle.»

Bei Carlson Wagonlit Travel konnte in den letzten Monaten kein eindeutiger Trend zu einem Wegsteuern beobachtet werden. Und die weiteren Travel Management Companies hüllen sich ob des heiklen Themas in Schweigen. «Wir dürfen dazu derzeit keine Stellung nehmen», heisst es bei HRG Switzerland beispielsweise.

Klar scheint aber: Die zukünftige Vertriebslandschaft wird auch im Geschäftsreisebereich nicht mehr gleich aussehen wie bisher. «Distributive Freiheit» nennt dies die Lufthansa-Gruppe und meint damit, dass sie sich künftig nicht mehr nur an die klassischen Wege binden will. Eine neue Alternative hat sie gleich selber ins Leben gerufen: das Portal LHGroup-Agent.com, auf dem Reisebüros Tickets ohne die neue Gebühr buchen können. Bei den Geschäftsreiseprofis fällt es aber durch. «Für das Geschäftsreisemanagement ist das Portal nicht geeignet», heisst es bei American Express, «Funktionen für automatisierte Änderungen und Refunds, Compliance, Duty of Care etc. fehlen.» Auch für Carlson Wagonlit ist der Einsatz des Portals keine Option: «Die Daten können nicht zur Auswertung mit unseren Systemen verknüpft werden, und eine Unterstützung im Notfall fehlt ebenfalls», hält Walter Ruggli, Vice President Switzerland & Eastern Europe,fest. Und Bacher von Kuoni argumentiert:
«Was hat der Kunde dort, was er bei uns nicht hat? Wegen CHF 16 würde er die ganze Servicepalette einer Travel Management Company verlieren – das ist es den Kunden meist nicht wert.»

DIREKT VERBUNDEN

Parallel dazu entsteht aber eine Reihe von neuen Vertriebslösungen. Das Stichwort lautet hier «Direct Connect», also die Di-rektanbindung eines Reisebüros oder einer Firma ans System der Fluggesellschaften. Eben erst hat die Lufthansa-Gruppe mit der Reisebürokette Lufthansa City Center (die heute nicht mehr zur Fluggesellschaft gehört) eine Vereinbarung getroffen, eine solche Direktanbindung zu entwickeln. Die DCCGebühr fällt in einem solchen Fall weg.

Direktanbindungen zu weiteren Partnern sind gemäss der Lufthansa in Planung oder in der Umsetzung. Bekannt ist zum Beispiel, dass Concur ab 2016 eine solche Direct-Connect-Lösung zur Lufthansa- Gruppe anbieten wird. Über die Plattform «Triplink» werden Geschäftsreisende ihre Flüge dann zu ihren Firmenkonditionen direkt auf LH.com buchen können, und die Daten werden in die Reisekostenabrechnung von Concur zurückfliessen.

Die Geschäftsreisebüros stehen diesen Entwicklungen kritisch gegenüber. «Für unsere Firmenkunden ist die Direktbuchung über Lufthansa keine Alternative. Dies bestätigt auch eine Studie der Global Business Travel Association, wonach nur zwei Prozent der Reiseeinkäufer den Direktvertrieb vorziehen», sagt Ruggli von Carlson Wagonlit. Bei CWT sei man überzeugt, dass die bestehenden globalen Distributionssysteme «die effizienteste, umfassendste und kostenwirksamste Vertriebslösung für die Geschäftsreisebranche darstellen.» Sämtliche Alternativen würden derzeit massgebliche Einschränkungen zeigen.

ERGÄNZEN, NICHT ERSETZEN

Bei American Express versteht man, dass sich die Branche verändere und entwickle. «Wir investieren deshalb in Lösungen, um nahtlosen Zugang auch zu fragmentierten Inhalten zu bieten.» Diese neuen Lösungen sollten bisherige Systeme aber ergänzen, nicht ersetzen. Und einen interessanten Punkt fügte kürzlich Marcel Hausheer vom Geschäftsreisespezialisten City Reisen in Zug an, als das Thema im letzten Monat am «Swiss Travel Summit» in Zürich diskutiert wurde: «Kleine Geschäftsreisebüros können sich die Entwicklung solcher Speziallösungen gar nicht leisten. Unsere Branche Ist weiterhin auf eine Standardlösung im Flugvertrieb angewiesen.»

DCC – worum geht’s?

Per 1. September 2015 haben die Fluggesellschaften des Lufthansa-Konzerns, also auch die Swiss, die so genannte Distribution Cost Charge (DCC) eingeführt. Es handelt sich dabei um eine Gebühr von CHF 16 bzw. EUR 16 auf jedes Ticket, das über ein globales Distributionssystem (GDS) ausgestellt wird. Diese Systeme werden von den Reisebüros, darunter auch die Geschäftsreisebüros und grossen Travel Management Companies, zur Flugbuchung für ihre Kunden genutzt. Aber auch diverse Online-Portale bedienen sich dieser Systeme. Die Reisebranche stösst sich vor allem an der Tatsache, dass die Gebühr nur auf «ihren» Kanälen erhoben wird. Bucht man die Tickets nämlich direkt auf der Website der Airlines, fällt die Gebühr nicht an. Mit anderen Worten: Lufthansa- und Swiss-Buchungen über die Geschäftsreisebüros sind nun plötzlich CHF 16 teurer. Die Lufthansa-Gruppe begründet dies mit den unterschiedlichen Kosten je nach Vertriebskanal: Sie selber müssten den GDS hohe Gebühren bezahlen, um ihre Tickets dort zu vertreiben, und müssten diese Kosten deshalb nun an den Kunden weiterverrechnen. Die Lufthansa-Gruppe hat jedoch ein neues Portal ins Leben gerufen, über das die Reisebüros – als Alternative zu den GDS – die Flüge ohne die neue Gebühr beziehen können. Auf diesem Portal sind alle Flüge der Lufthansa-Airlines plus deren Joint-Venture-Partner buchbar.