Herr Küng, Swiss widerspricht im offenen Brief in sämtlichen Punkten Amadeus. Was ist Ihre Position dazu?
Uns ist vollkommen bewusst, dass es für unsere Kunden extrem
frustrierend sein muss, unterschiedliche Positionen zu hören, ohne die
Möglichkeit zu haben, diese auch zu verifizieren und eine qualifizierte
Meinung zu bilden. In jeglicher Diskussion gibt es zwei Seiten und
somit auch abweichende Haltungen. Wir stehen jedoch nach wie vor zu
dem, was wir bis anhin öffentlich kundgetan haben.
Wie waren die Kundenreaktionen?
Amadeus-Kunden haben bestätigt, dass sie unsere Anstrengungen
hinsichtlich Bekämpfung des Vorzugspreismodells als solches verstehen
und auch schätzen, nicht nur im reinen Eigeninteresse, sondern für die
Industrie und speziell den Reisebürokanal.
Wieso kann Amadeus keine Vereinbarung wie Sabre und Travelport treffen?
Amadeus ist für LH/LX das wichtigste GDS und das einzige, das ihnen ein
substanzielles Wachstum im Reisebürokanal generierte. Betrachten wir
den gesamten Kuchen der Buchungen von LX und LH über den indirekten
Vertrieb, so laufen rund zwei Drittel der Segmente über Amadeus. Aus
diesen Gründen wären die Auswirkungen, sofern wir den Forderungen Folge
leisten würden, massiv grösser als bei den konkurrierenden GDS. Deshalb
ist es auch ein mögliches Szenario, dass sich LH/LX einen Vorteil
erhofften, um Druck auf Amadeus auszuüben, indem sie Travelport und
Sabre mit gefälligen Bedingungen bedienten. Natürlich kennen wir die
Konditionen dieser Verträge nicht, weshalb dies auch spekulativ ist.
Weit wichtiger scheint uns, dass die Konsequenzen im Falle einer
Akzeptanz des Vorzugspreismodells durch Amadeus eine Gefährdung des
kommerziellen GDS-Reisebüro-Geschäftsmodells nach sich ziehen würde.
Wie stellt sich die wirkliche Ursache des Problems dar?
Potenziell gibt es vier Akteure in der Wertschöpfungskette, welche die
GDS-Kosten übernehmen können: die Airlines, die Reisebüros, die
Reisenden oder die GDS. Heute kommen essenziell die Airlines für
diese Kosten auf. Dank der Marktdurchdringung der direkten
Onlinedistribution hat sich ein kostengünstiger Absatzkanal etabliert,
welcher nachvollziehbar die Ambition weckt, auch im indirekten Kanal
Kosten zu reduzieren.
Nun stellt sich für uns die Schlüsselfrage, wie
eine solche Entwicklung des Geschäftsmodells initiiert wird, damit es
für alle Beteiligten tragbar ist. Amadeus Beitrag war die Einführung
des 3-Jahres-Full-Content-Programms, welches auf grosse Resonanz und
Akzeptanz gestossen ist: 73 Airlines haben unterzeichnet. Darunter aber weder LH noch LX.
Lufthansa und Swiss entschieden sich, einen unilateralen Weg
einzuschlagen, welcher impliziert, dass wer auch immer die Last der
Kostensenkung trägt: die GDS, die Reisebüros oder die Reisenden;
die Airlines sind dazu nicht gewillt. Lufthansa beharrte auf dem
Standpunkt, dass ungeachtet des Anteils, welcher von Amadeus an den
4,90 Euro für die drei Märkte A/CH/DE übernommen würde, der Rest an die
Reisebüros weiterbelastet würde.
Also gilt es zu klären, inwiefern
diese Rechnung aufgeteilt wird. Dabei geht es zweifelsfrei um grosse
Beträge, aber sogar in den USA haben die Airlines ein Modell
akzeptiert, in welchem auch die Airlines einen Teil absorbieren.
LH und
LX machen schlicht Gebrauch von ihrer Marktmacht in den drei Ländern,
um etwas zu erreichen, was nicht im Geringsten mit einer
Win-win-Situation zu tun hat, da vor Bekanntgabe am 17. Januar weder
Fragen gestellt wurden noch eine Diskussion oder gar echte
Verhandlungen stattfanden.
Was sind die nächsten Schritte für die Amadeus-Reisebürokunden?
Wie in unserem Brief an die IATA-Kunden erwähnt, bekämpfen wir
weiterhin das Vorzugspreismodell. Wir haben rechtliche Schritte
unternommen und die Richter, respektive die entsprechenden Autoritäten,
werden entscheiden. Bis dahin werden wir die erhobenen Gebühren
kompensieren, mindestens bis Ende 2008. Uns liegt nichts näher, als uns
baldmöglichst wieder auf unser Hauptgeschäft und somit unsere Kunden
konzentrieren zu können, zu denen auch die Airlines gehören, und wieder
eine Beziehung herzustellen, wie diese zuvor gelebt wurde.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Situation langfristig entwickeln?
Grundsätzlich gibt es zwei Prognosen. Sollten LH und LX erfolgreich
sein, in ihren Heimmärkten das bestehende Programm nachhaltig
durchzusetzen, werden deren Vertriebskosten beträchtlich tiefer sein
als jene der konkurrierenden Airlines in deren Heimmärkten. Das heisst,
LH/LX hätten einen Konkurrenzvorteil.
Logischerweise würden die übrigen
(europäischen) Carrier nicht zurücklehnen und den beiden den Genuss
dieses Vorteils überlassen. Also würde ein massiver Druck entstehen, um
analoge Konditionen zu erhalten, was wiederum den GDS die Möglichkeiten
nähme, Incentives zu zahlen. Sodann wäre der Kostenvorteil
verschwunden. Die Frage ist, was sonst in diesem Prozess verloren gehen
würde.
Die Alternative ist zum Beispiel die Einführung der
Full-Content-Option, welche äquivalente Konditionen zur Folge hätte, da
für sämtliche Airlines in Europa offeriert und wie bereits gesagt von
73 Airlines bereits unterzeichnet wurde.
Christ Probst