Angst ist ein schlechter Ratgeber (Ausgabe 2009-18)

Jean-Claude Raemy zur Abstimmung vom 17. Mai

Biometrische Pässe kann man in der Schweiz jetzt schon beziehen. Dies
war bisher eine provisorische Lösung, um Einreisen in die USA weiterhin
zu ermöglichen. Am 17. Mai geht es darum, die Ausstellung von
biometrischen Pässen gesetzlich zu verankern – einer EU-Richtlinie
zufolge zusätzlich mit Fingerabdrücken versehen, einer Schweizer
Richtlinie zufolge auch mit einer Speicherung in einer zentralen
Datenbank. Die neue Regelung soll am 1.3.2010 in Kraft treten.

Dabei geht es primär um Sicherheit vor Passfälschungen oder Missbrauch
bei Passdiebstahl. Ein Pass ist nun mal für Reisen ins Ausland da. Da
muss man sich folglich auch internationalen Standards beugen.
Ironischerweise wird diese Sicherheit, welche auch der Status als
assoziiertes Schengen-Mitglied in polizeilichen/juristischen Belangen
bietet, bei den Gegnern des biometrischen Passes in «Unsicherheit»
verdreht. Es wird mit Missbrauch der sensiblen Daten argumentiert, mit
Datenklau, staatlicher Kontrolle, dem «gläsernen Bürger» und weiteren
Schlagworten. Kurz: Es wird Angst geschürt.

Fakt ist aber: Eine zentrale Datenbank (allerdings noch ohne
Fingerabdrücke) gibt es beim Bund schon seit 2003. Darauf gab es
seitdem keine gelungenen Hacker-Angriffe. Andererseits ist der Zugang
zu den Daten strikt geregelt. Zugriff von unbefugten in- oder
ausländischen Behörden – wie teils kolportiert – ist juristisch
unzulässig. Wer zudem das Risiko von Hackern hervorhebt, sollte künftig
weder Handy noch Kreditkarte oder Internet benutzen …

Auch das Argument, ein Nein zwinge den Bundesrat zu einer neuen Vorlage
ohne Datenbank, zieht nicht. Es ist schon so, dass die Schweiz noch bis
zum 1.3.2010 eine Schengen-konforme Regelung finden kann. Doch
angesichts der trägen politischen Prozesse in unserem Land dürfte eine
neue und dazu noch vom Volk verabschiedete Regelung innert zehn Monaten
nicht zu machen sein. Dass der Bundesrat mit der EU einen neuen Termin
oder neue Zusammenarbeitsformen aushandeln kann, ist ebenfalls
problematisch: Die Schweiz fährt schon genügend Extrazüge.

Nicht zuletzt gibt es das Problem der USA. Diese könnten bei einem Nein
unabhängig der Reaktion der Schengen-Staaten eine Visumspflicht
einführen – allenfalls noch in diesem Jahr! Das wäre für Touristen und
Geschäftsleute auf beiden Seiten des Atlantiks ein herber Rückschlag.
So oder so: Der biometrische Pass muss und wird kommen. Jetzt auf eine
Gnadenfrist der EU zu setzen, ist angesichts der wirtschaftlichen Lage
prekär.