Wie wirkt sich die Concordia-Havarie auf den aktuellen Geschäftsgang der Cruise-Veranstalter und -Spezialisten aus? TRAVEL INSIDE hat sich bei sieben führenden Anbietern erkundigt. Erste Erkenntnis: Von einem generellen Nachfrageeinbruch kann nicht gesprochen werden, wohl aber von einer Delle. Je nach Anbieter liegen die Cruise-Buchungen seit dem Unglück zwischen 5% und 20% hinter den vergleichbaren Vorjahreszahlen zurück (Generalisten), vereinzelt bewegt man sich auf Vorjahresniveau (einzelne Spezialisten, hochpreisige Segmente). «Ein Buchungsstand wie im Vorjahr ist zwar positiv, wir haben aber ein Wachstum erwartet», bringt Alexander Esslinger (E-Hoi) die Situation auf den Punkt. Zum Kundenverhalten ergänzt Stephan Frei (Mittelthurgau): «Kenner und Stammgäste buchen, Neukunden warten eher noch zu.»
Zu erwarten war eine Diskrepanz zwischen der Nachfrage für Costa und den übrigen Reedereien: Costa liegt bei den Anbietern zwischen 20% und 40% zurück, während einzelne andere Reedereien oft ein Plus aufweisen. Dies gilt insbesondere für teurere Angebote oder kleinere Schiffe anderseits werden Megaliner da und dort zurückhaltender gebucht. Und: Flussfahrten profitieren nicht von der Situation, leiden aber auch nicht darunter. «Wir spüren aber auch eine grosse Solidarität von Costa-Stammkunden, für die weiterhin nur ihre Reederei infrage kommt», kann Cornelia Gemperle (Kuoni) beobachten.
Der momentane Costa-Einbruch bei hiesigen Anbietern deckt sich mit der Aussage von Costa-Präsident Pier Luigi Foschi gegenüber italienischen Medien, wonach der Buchungsrückgang rund 35% betrage. Nicole Jordan von Costa Schweiz kann diese Zahl zwar nicht bestätigen, geht aber von einer ähnlichen Grössenordnung aus: «Nach der Phase der Umbuchungen kommen nun wieder Neubuchungen, aber noch nicht im Rahmen des Vorjahres.» Um den Markt zu beleben, lanciert Costa Ende Februar einen neuen Prospekt mit allen angepassten Routen und 599-Franken-Preisen diese Promotion gab es schon im Vorjahr und wird nun gemäss Jordan vorgezogen.
Unter dem Strich sprechen aber fast alle Anbieter dank eines starken Saisonstarts bis zum Zeitpunkt des Unglücks von einem aktuellen Buchungsvolumen, das meist nach wie vor über oder knapp unter Vorjahr liegt. Entwarnt wird deshalb aber noch nicht: «Solange die Concordia noch in den News ist, werden wir weiterhin einen zurückhaltenden Buchungseingang haben», ist Hans Hunziker (CruiseTour) überzeugt.
Und Marco Strub (Hotelplan) geht davon aus, dass das laufende Jahr wohl nicht gleich erfolgreich abgeschlossen werden kann wie die letzten Jahre. Wobei: «Nicht nur die Concordia, sondern auch die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Euro-Krise spielen eine Rolle», weist Willy Noser (Delphi) auf einen Faktor hin, der ob der Concordia oft vergessen geht.
Der grösste Teil hat umgebucht
Kunden, die eine Kreuzfahrt mit der Costa Concordia gebucht haben, konnten die Seereise entweder kostenlos annullieren und/oder auf ein anderes Schiff (Costa oder andere Reedereien) umbuchen. Diese Variante wählte der weitaus grösste Teil der Kunden, während im Schnitt nur rund 10% definitiv annulliert haben. Was die direkt vom Unglück betroffenen Concordia-Passagiere betrifft, hat Costa das Entschädigungsangebot bis zum 31. März 2010 verlängert. Dieses wurde bis anhin gemäss italienischen Medienberichten von rund 30% der Betroffenen akzeptiert.
Beat Eichenberger