Es tönt teilweise recht fatalistisch, was die Retailer zu Protokoll geben insbesondere die Routiniers unter ihnen. Auf die Frage, wo man künftige starke Einkommensquellen sehe, kommt vielerorts nur ein Schulterzucken zurück. Die Veranstalter bauen den Direktverkauf stetig aus, die Preise sinken und lassen die Umsätze schrumpfen, die Airlines machen den Reisebüros das Leben schwer. Es sind insbesondere die einfachen Buchungen wie Nur-Flüge oder Packages, die heute immer mehr am stationären Vertrieb vorbeigehen. Früher sorgten die «simplen» Buchungen dank ihrer relativ effizienten Abwicklung für ein Grund-rauschen, eine Basis in den Reisebüros, die sich heute mehr und mehr auflöst.
Die Ursache dafür liegt nicht nur beim Kunden. Mit der raschen Entwicklung des dynamischen Paketierens ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich der Vertrieb von einfachen Buchungen (Hinflug, ein Hotel, Rückflug, höchstens noch ein Transfer) voll aufs Internet und den Direktverkauf konzentrieren wird. Die Airlines haben es bereits vorgemacht und gleichzeitig die Kommissionen für den Zwischenhandel eliminiert. So hart es tönt: Die Retailer werden sich vom simplen und schnellen Geschäft definitiv verabschieden müssen.
Für die komplexen Angelegenheiten hingegen wird das Reisebüro eine beliebte Anlaufstelle bleiben. Dies bedeutet aufwendige Dossiers und viel Beratungszeit. Heute sagen die Retailer, dass sie es sich nicht leisten können, dafür eine angemessene Beratungsgebühr zu verlangen; bald werden sie es sich nicht mehr leisten können, die Gebühr NICHT zu verlangen. Ob dies transparent oder in den einzelnen Leistungen integriert geschieht, ist dann noch taktische Finesse.
Das Argument, dass Reisebüro-Angestellte keine Ärzte oder Architekten sind, die exklusives Wissen besitzen und deshalb beliebig Gebühren verlangen können, funktioniert nur bedingt. Vielleicht funktioniert der Vergleich mit einem Steuer-berater besser: Eine alleinstehende Person ohne Haus und Kinder hat eine Steuererklärung in 15 Minuten erledigt und kann sich den Berater sparen; sobald es komplizierter wird, hilft ein solcher aber, Zeit, Nerven und nicht zuletzt auch Geld zu sparen. Ein solches Verständnis der Reisebüro-Arbeit muss nicht nur im Kopf des Kunden verankert werden, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern. In erster Linie braucht es Mut, die erbrachten Serviceleistungen zu verrechnen und natürlich die Kompetenz und Qualität, welche die Gebühren auch recht-fertigen.
Stefan Jäggi