Die Deutsche Bahn steht unter Zugzwang (Ausgabe 2015-21)

Kampf an allen Fronten

Zurzeit wird Deutschland vom neunten Bahnstreik gebeutelt. Seit bald einem Jahr verhandelt die Deutsche Bahn mit den beiden Gewerkschaften EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft) und GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotiv-führer). Dabei geht’s nicht mehr um Lohn-Unstimmigkeiten oder Arbeitszeitregelungen, sondern der Konflikt hat eine politische Dimension erhalten. Hintergrund ist das geplante Tarifeinheitsgesetz, das Anfang Juli in Kraft treten soll. Das bedeutet, dass nur noch der Tarifvertrag der jeweils grös-seren Gewerkschaft (in diesem Fall der EVG) gelten würde – dagegen wehrt sich GDL-Chef Claus Weselsky.

Gemäss DB-Vorstandsangaben habe man bei den letzten Gesprächen -einen Vorschlag gemacht, der zu gleicher Bezahlung von Lok- und Lokrangierführern geführt hätte. Die GDL -hätte ihn zwar als «intelligent und juristisch machbar» bezeichnet, «aus politischen Gründen» müsse sie ihn aber ablehnen.

Nun verliert aber die EVG langsam die Geduld. Heute Donnerstag wird auch hier weiterverhandelt. Kommt es zu keinem Abschluss, will auch die EVG streiken, was die Stilllegung des gesamten Bahnverkehrs bedeuten könnte. Die DB vertritt den Standpunkt, dass sie mit beiden Gewerkschaften für identische Berufsgruppen nur identische Abschlüsse tätigen will. Das ist verständlich, stellt die DB aber vor eine praktisch unlösbare Herausforderung angesichts der Rivalität der Gewerkschaften. 

Neben dieser Herkulesaufgabe hat die DB aber noch andere Probleme zu lösen. Auch wenn gerade nicht gestreikt wird, werden Anschlusszüge aufgrund von Verspätungen verpasst, Restaurantwagen nur unzureichend mit trockenen Sandwiches beliefert, und das eben eingeführte kostenlose W-LAN in der 1. Klasse funktioniert nicht. Da ist die geplante Ausweitung des Fernverkehrsangebotes fast ein Nebenschauplatz.

Nathalie De Regt