Die SBB-Reisebüros hatten es noch nie leicht. Von Anfang an mussten sie sich gegen das Vorurteil behaupten, keine richtigen Reisebüros zu sein. Vielerorts wurden die Büros nur mit Bahnbilletten oder einfachen Städtereisen in Verbindung gebracht und selbst von anderen Branchenplayern belächelt. Aus diesem Grund wurden die grossen, komplexen Fernreisen nur selten über SBB-Reisebüros gebucht. Dabei wäre genau diese Art von Reisen für das Überleben der Reisebüros besonders wichtig gewesen. In diesem Bereich ist die Konkurrenz aus dem Netz noch nicht so gross wie bei Städte-reisen oder einfachen Pauschalreisen.
Die SBB hat in den vergangenen zwei Jahren viel investiert, um die Marktpower ihrer Reisebüros zu stärken. Mit schöneren Büros, besser geschultem Personal und einer überarbeiteten Produktepalette wollte man den Büros zu einer Neupositionierung und etwas mehr Profil verhelfen. All die Versuche, das Ruder doch noch herumzureissen, sind offensichtlich gescheitert. Die SBB zieht nun endgültig die Reissleine.
Dass sich nach Kuoni nun ein weiterer grosser Player vom Markt verabschiedet, ist für die Reisebranche an sich ein sehr schlechtes Zeichen und hilft dem bereits angeschlagenen Image der Reisebüros allgemein nicht auf die Sprünge. Die Kuoni-Reisebüros werden zwar nicht geschlossen, die Nachricht ist aber eindeutig: Die Reisebüros sind nicht mehr als ein Klotz am Bein.
Auch wenn die betroffenen Mitarbeiter künftig weiterhin im bedienten Verkauf eingesetzt werden und nach jetzigem Stand niemand seine Anstellung verliert, erfreut sich nicht jedermann an der neuen Situation. Dass sich ein Reiseberater, der bisher für seine Kunden mit Herz und Seele Reisen in alle Welt zusammengestellt und verkauft hat, nur schwer von alldem trennen will, ist durchaus verständlich. Insbesondere dann, wenn die Zukunft sehr stark nach «einmal ZürichBern retour bitte» aussieht.
Melanie Mooser