Ein Rücktritt als taktisches Manöver (Ausgabe 2013-49)

Offenes Rennen um den Posten des Kuoni-CEO

Stefan Leser zieht sich aus dem Rennen für das Amt des Kuoni-CEO zurück. Dies teilte er Kollegen bei der International Management Conference von Ende November in London offiziell mit. Die Meldung hat die Wahl eines neuen Kuoni-CEO wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht. Angekündigt wird der neue CEO voraussichtlich im Anschluss an die nächste VR-Sitzung von Kuoni Mitte Dezember. Auf jeden Fall noch vor Ende Jahr.

Dass nun ein Externer zum Handkuss kommt, wie in manchen Medien vermutet wird, ist gar nicht zwingend. Der gewiefte Taktierer Leser kennt den definitiven VR-Entscheid wohl nicht, genau wie die Öffentlichkeit. Selbst wenn er sich nur noch wenige Chancen ausrechnet, wieso dann drei Wochen vor der Bekanntgabe selbst die Notbremse ziehen? Ganz einfach: Um im Fall einer Nicht-Wahl das Gesicht zu wahren. Oder um allenfalls doch noch gebeten zu werden, den Job zu übernehmen, und gleich bei Amtsantritt eine Oberhand zu haben. Ganz aus dem Rennen ist Leser auch nach seinem Verzicht nicht unbedingt.

Interessenten für den Job hat die Headhunterfirma in London sicher genug gefunden. Schliesslich kann man innert drei Jahren rund CHF 6 Mio. verdienen. Aber die Stelle soll ja nicht einfach besetzt werden, sondern optimal besetzt werden. Da stellt sich die Frage: Wer will diesen Job wirklich? Bei Kuoni stehen grössere Umbrüche an. Was passiert mit dem Schweizer Badeferien-Touroperating, einem Sorgenkind des Konzerns? Wird Kuoni Schweiz gar in eine Retail-Organisation umgewandelt? Was passiert mit der IT-Infrastruktur? Gibt es eine klare Vision dazu, wo Kuoni hin soll? Da kann sich ein gestandener Manager schon mal die Finger verbrennen. Insider wissen zudem, dass die letzten sieben CEOs allesamt unfreiwillig gingen. Vielleicht dauert deshalb der Findungsprozess so lange.

Möglicherweise braucht es tatsächlich externen Input, um bei Kuoni Grundlegendes zu bewegen. Andere glauben dagegen, dass ein langjähriger Kuoni-Insider wie Leser eher etwas bewegen kann. So oder so pokert Leser hoch: Allgemein wird erwartet, dass er im Fall einer Nichtwahl das Unternehmen verlässt. Doch innerhalb der Schweiz wartet kaum ein Unternehmen auf Manager mit einem Tourismus-CV. Das haben diverse frühere Kuoni-Manager (Roberto Luna, Lucio Pompeo etc.) bereits erlebt. Leser könnte trotz allem auch bleiben. Zumal sein Umbau bei Kuoni Schweiz andauert und er eben erst seinen Kronprinzen Marcel Bürgin in Stellung gebracht hat.

Wer auch immer neuer CEO wird: Es wartet eine Herkulesaufgabe. Wenn auch der neue Chef den Übernamen Di-Mi-Do erhält, wird sich der Kuoni-Verwaltungsrat einiges anhören müssen.

Jean-Claud Raemy