«Eine Preisdifferenz bis 10% ist akzeptabel, mehr nicht» (Ausgabe 2011-35)

Sara Stalder, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), will Preisunterschiede zwischen deutschen und Schweizer Reiseanbietern nicht hinnehmen.

Frau Stalder, die Preise für Auslandsreisen sind in der Schweiz oft höher als im benachbarten Ausland. Welche Möglichkeiten sieht der SKS auf Seite der Reiseveranstalter, die Preise näher ans Auslandsniveau heranzuführen? 

Wir fordern grundsätzlich, dass Währungsgewinne unverzüglich und flexibel an die Konsumenten weitergegeben werden. Wir appellieren diesbezüglich bereits seit Juni 2010 auch an die Reisebranche, doch getan hat sich bisher kaum etwas. Es geht einfach nicht, dass das Schweizer Preisniveau für identische Reisen, also mit gleichen Leistungen, derart hohe Differenzen verglichen mit dem benachbarten Ausland aufweisen.

Können Sie konkrete Beispiele ansprechen?

Es geht zum Beispiel nicht an, dass, wenn ein Schweizer Kunde eine Reise online buchen will, er auf die Schweizer Seite mit höheren Preisen umgeleitet wird. Ich kann beispielsweise bei www.tui.de als Schweizer keine Reise buchen, sondern lande auf www.tui.ch, wo die Preise massiv höher sind. Das ist nicht bloss eine Gängelung des Konsumenten, sondern eine Wettbewerbsbehinderung.

Die Preisbekanntgabeverordnung erlaubt es überdies, Preise auch in Euro oder Dollar anzuschreiben. Dabei sollte aber nicht einfach der Schweizer Preis in Euro umgerechnet werden, sondern es sollte ein Preis vorhanden sein, welcher das Preisniveau im Euro- oder Dollarraum widerspiegelt.

Die Reiseveranstalter führen für die Preisunterschiede unter anderem Kostendifferenzen ins Feld …

Bei einem Angebot für dieselbe Dienstleistung, welche zum grössten Teil im Ausland erbracht wird, können die Schweizer Lohnkosten nur am Rand als Rechtfertigung herbeigezogen werden. Eine Preisdifferenz bis 10% wäre akzeptabel, alles andere ist nicht hinnehmbar.

Was raten Sie den Schweizer Konsumenten denn in Bezug auf die Reise-
buchung?

Die Konsumenten sollen sich vor der Buchung möglichst umschauen und die Preise nach Möglichkeit online – auch im Ausland –  vergleichen. Im Reisebüro muss man sich auch nicht jeden Preis gefallen lassen. Man sollte versuchen, über den Preis zu verhandeln, mit Hinweis auf die Preisunterschiede. Wobei klar ist: Eine Buchung im Reisebüro hat auch gewisse Vorteile. Da sind die Leute auch ger-ne bereit, den erhaltenen Mehrwert zu bezahlen. Bei Reisen und Fahrzeugkäufen lohnt sich das Verhandeln des Preises insofern, weil eine Familie dabei mehrere Hundert oder sogar Tausend Franken sparen kann!

Sie haben kürzlich gesagt, die Schweiz liege in Bezug auf die Rechte der Konsumenten 15 Jahre hinter der EU zurück. Wie äussert sich das konkret?

In Sachen Garantieleistungen oder Widerrufsrecht sind Schweizer Konsumenten klar schlechter gestellt. Allerdings wurden jetzt in der Sommersession des Parlaments grosse Fortschritte erzielt. Im Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb werden im nächsten Frühjahr neue Bereiche aufgenommen, die unlauter sind: unlautere Gewinnversprechen, besser bekannt als «Kaffeefahrten», oder die Nichtbeachtung des Stern-eintrags im Telefonbuch.

Die durchschnittlichen Reisepreise der Schweizer TOs werden auf den Winter hin um 15% tiefer liegen als im Vorjahr. Genügt das nicht? 

Das ist erfreulich und ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sollten die Preise nicht einfach starr sein, sondern bei allfälligen schnellen und/oder grossen Kursschwankungen angepasst werden können.

Auch nach oben?

Unsere Erfahrung zeigt, dass Preisanpassungen nach oben immer sehr schnell erfolgen und nicht monatelang hinausgezögert werden. Um einen unverhältnismässigen Preisanstieg zu vermeiden, könnten Preisobergrenzen festgelegt werden. Doch solche festzulegen, ist auch nicht unproblematisch: Am Schluss orientieren sich alle Unternehmen an der Preisobergrenze, aber niemand verkauft unter diesem Preis. 

Also bleiben nur tagesaktuelle Tarife.

Auch solche sind aus unserer Sicht keine Option. Damit wird etwa den Familien die Möglichkeit genommen, ihre Ferien entsprechend dem geplanten Ferienbudget zu buchen. Saisonpreise sind schon gut; es sollte aber möglich sein, diese in einem gewissen Spielraum flexibel zu handhaben, damit Währungsgewinne sofort weitergegeben werden können.

Was halten Sie von den Flugtarifen, wo immer mehr Tarifbestandteile aus dem Tarif ausgegliedert werden?

Wir kämpfen schon lange dagegen, dass immer mehr Zuschläge separat verrechnet werden. Wir setzen uns dafür ein, dass auch Airlines in ihrer Werbung gemäss den Verordnungen der Preisbekanntgabeverordnung einen Gesamtpreis darstellen müssen, in welchem sämtliche Zuschläge von Beginn weg integriert sind.

Jean-Claude Raemy