Herr Baumgartner, was waren die Höhen und Tiefen von Etihad im 2010?
2010 war das Jahr, aus dem man sich von 2009 und der globalen Finanzkrise erholt hat. Wir sind aber relativ gut durch diesen Sturm gesegelt, und dies aus verschiedenen Gründen: Die Kundensegmentierung der Airlines aus dem Mittleren Osten ist im Vergleich zu den europäischen Carriern sehr breit gefächert, z.B. mit dem Worker/Labour-Traffic oder dem religiösen Verkehr. Diese Segmente sind relativ stabil, denn religiöse Feste finden auch während einer Finanzkrise statt. Die breite Segmentierung hat uns sicherlich geholfen. In schwierigen Zeiten ist natürlich auch die Kostenseite ein wichtiger Aspekt. Wenn wir beispielsweise unser Recruit-ment für ein paar Monate auf Eis legen, sind wir danach eine schlanke Organisation. Dadurch konnten wir den Gürtel enger schnallen.
Etihad kann also relativ flexibel agieren?
Wir sind eine New-Wave-Airline, das heisst wir sind sehr flexibel, haben keine festgefahrenen Strukturen und wir können uns relativ schnell an veränderte Marktverhältnisse anpassen, was sicherlich auch mit unserer Grösse zu tun hat. Ich würde sogar meinen, dass wir uns die schwierigen Zeiten insofern zunutze gemacht haben, dass wir demonstrieren konnten, dass Etihad weiterhin im Markt ist und den Kurs auf den Break-even hält, den wir auf dieses Jahr versprochen haben.
Das heisst, Sie sind zuversichtlich, dass 2011 ein gutes Jahr für Etihad wird?
Ja, wir sind 2010 definitiv wieder auf den Break-even-Kurs zurückgekommen. Auf Ebitdar-Level schreiben wir schwarze Zahlen, das ist die Vorstufe zum vollen Break-even. Das Umfeld ist 2011 nicht optimal für eine Fluggesellschaft, denken wir an die Situation im Mittleren Osten oder in Japan, den Ölpreis, die Wechselkurse etc. Das alles passt im Grunde nicht in unseren Break-even-Plan. Aber bis das ideale Jahr kommt, in welchem alle Rahmenbedingungen stimmen, können wir wohl noch ewig warten. Damit können wir aber gut umgehen, daher ist unser Break-even-Ziel für dieses Jahr absolut standfest.
Wie positioniert sich Etihad im internationalen Airline-Business, vor allem im Vergleich zu europäischen Carriern?
Mein Benchmark sind nicht andere Airlines, das soll nicht arrogant klingen, denn Carrier wie Qatar Airways, Singapore Airlines, Emirates oder Swiss sind fantastische Airlines. Aus Sicht der Markenpositionierung setzen wir den Benchmark gemäss dem Motto «The best the world has to offer». Zum Beispiel hinsichtlich des Service und des Essens an Bord: Hier ist das Restaurant Kronenhalle in Zürich eher ein Benchmark für uns als eine andere Airline. Wir messen uns also in dieser Hinsicht nicht mit einer anderen 5-Sterne-Airline, sondern mit einem 5-Sterne-Restaurant. Wir haben es zu unserer Markenstrategie gemacht, unsere ganz spezifischen Benchmarks zu finden und zu versuchen, diese zu erreichen. Wir sind eine New-Wave-Airline, welche die «accepted Standards» herausfordern und die Reisestandards neu definieren will.
Welche Rolle spielt im Geschäft von Etihad der Hub in Abu Dhabi?
Das Hub-Geschäft und die Point-to-Point-Flüge halten sich die Waage. Die «natural air bridge» funktioniert aber sicherlich sehr gut für uns. Wir können nonstop zu jedem Punkt auf der Weltkarte fliegen oder mit anderen Worten: Wir können jeden Punkt auf der Weltkarte über Abu Dhabi effizient verbinden. Die Qualität unserer Flughäfen und zwar hinsichtlich Infrastruktur und Effizienz , zusammen mit der Qualität der Airline und einem fairen Preis macht uns zu einem globalen Player.
Auch die Nachfrage scheint zu stimmen. Oder war die Kapazitätsaufstockung in Genf ein strategischer Entscheid?
Grundsätzlich ist es so, dass es nicht optimal ist, wenn man eine Destination nicht täglich anfliegt. Durch den Stellenwert, den Genf für unser Netzwerk und den Lokalmarkt in Abu Dhabi hat, war es nun an der Zeit, diese Frequenzerhöhung zu vollziehen. Dies war der logische Schritt in einer wichtigen Destination, die wir noch nicht täglich angeflogen sind. Das hat nicht direkt damit zu tun, dass Emirates nun ebenfalls nach Genf fliegt und der regionale Wettbewerb stärker wird.
Und wie wirkt sich der Genf-Einstieg von Emirates auf Etihad denn aus?
Es kommt immer eine neue Dynamik ins Spiel, wenn ein neuer Player in den Markt eintritt. Mehr Konkurrenz stimuliert den Markt, hält uns auf Trab und ist letztlich gut für den Konsumenten. Wir scheuen die Konkurrenz nie, denn wir sind selbstsicher und freuen uns über das, was wir erreicht haben. Wir haben die Bestätigung erhalten, dass wir im Vergleich zur Konkurrenz sehr, sehr gut abschneiden. Wir sind bereit und Konkurrenz ist willkommen, auch wenn sie es nicht unbedingt sehr einfach hat neben uns (lacht).
Ist Zürich ein Thema?
Zürich ist natürlich ein Thema. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Die Aufnahme von Zürich ins Etihad-Netzwerk steht auf dem Plan, bis dahin dauert es aber sicher noch zwei Jahre.
Wie sehen die angesprochenen Wachstumsperspektiven von Etihad aus?
Es gibt keine andere Fluggesellschaft, die so schnell gewachsen ist wie Etihad. Unser Mandat ist aber nicht, die grösste oder die am schnellsten wachsende Airline zu sein. Unser Mandat ist es und das soll ebenfalls nicht arrogant klingen , die beste Airline der Welt zu sein. Darunter verstehen wir eine Airline, welche neben ihrem kommerziellen Mandat die Destination optimal unterstützt und gemeinsam mit ihr wächst, so wie es der Masterplan von Abu Dhabi vorsieht. Wir spielen dabei eine wichtige Rolle, die wir sehr ernst nehmen.
Wir haben heute 67 Destinationen in unserem Netzwerk, knapp 60 Flugzeuge und 8 000 Mitarbeiter. 2020 werden wir rund 150 Maschinen in der Flotte haben, rund 100 Destinationen anfliegen und zwischen 17 000 und 18 000 Mitarbeiter beschäftigen und bis 2020 dauert es nicht mehr lange.
Simon Benz, Dubai