Europa-Strategie der Swiss (Ausgabe 2014-41)

Die Flucht nach vorne

Lange schauten Lufthansa und Swiss zu, wie in Europa andere Fluggesellschaften den Ton angeben – nicht die gewohnten Konkurrenten wie Air France oder British Airways, sondern neue, schlank aufgestellte Carriers. Nun schlägt die Lufthansa-Gruppe auf der ganzen Linie zurück: mit der Wings-Strategie an den dezentralen Flughäfen und, zumindest in der Schweiz, mit der «Hub+»-Strategie an den Drehkreuzen. 

In Genf waren der massive Ausbau und die Einführung eines Point-to-Point-Systems mit Oneway-Tarifen ein Angriff auf Easyjet. In Zürich dürfte es eine Reaktion auf Etihad Regional sein, die sich nach dem Prinzip «Trial and error» eine Vielzahl von Strecken unter den Nagel reisst. Aber auch andere Airlines werden von Swiss nun herausgefordert, seien es Vueling, Air Baltic oder Finnair. Auf 17 der 23 neuen Strecken gibt es bereits Konkurrenz, heute meist als Monopole. Dabei macht Swiss auch vor Allianzpartnern nicht halt. Ljubljana (Adria Airways), Zagreb (Croatia Airlines) und Porto (TAP) werden heute bereits von Star-Alliance-Mitgliedern angeflogen. Es wird interessant zu sehen sein, wie man sich dort einigt.

So oder so: Auf vielen der 23 Strecken wird es zum Verdrängungskampf kommen. Lange nicht alle Strecken haben genügend Potenzial, um von zwei Airlines angeflogen zu werden. Das musste Intersky kürzlich erfahren, die von Etihad Regional aus Zürich–Dresden verdrängt wurde. Nun versucht sich Swiss an genau dieser Strecke – und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Für die Flugpreise kann dies nur bedeuten, dass sie weiter sinken werden. Hinter die Ankündigung von Hohmeister, nach 24 Monaten auf diesen Strecken profitabel zu fliegen und das Europageschäft generell in die schwarzen Zahlen zu drehen, muss deshalb ein Fragezeichen gesetzt werden. Es ist ein riskantes Unterfangen, eine Flucht nach vorne. Aber wenn man sich ansieht, wie es um das Europageschäft der Legacy Carriers generell steht, ist alles besser als der heutige Zustand.

Stefan Jäggi