Grosse TO als Spezialisten – ein Widerspruch in sich? (Ausgabe 2014-37)

Schweizer Retailer beklagen das Verschwinden des Expertentums bei den Reiseveranstaltern. Eine Umfrage.

Die Zusammenarbeit mit den Reiseveranstaltern wird immer schwieriger, weil Experten verlorengehen – auf der Sommerleute-Tour durch die Reisebüros hörten die TI-Redaktoren diese Klage mehr als einmal. Eine Umfrage bringt konkrete Probleme an den Tag.

Einen «immensen Know-how-Verlust» stellt Reto Kuratli auf Seiten der TOs fest. Eine fundierte Auskunft sei, mit wenigen Ausnahmen, kaum mehr erhältlich, klagt der Geschäftsführer von Bernhard Reisen in Goldach. «Das Verschwinden zum Beispiel der Travelhouse-Spezialisten und deren Personal ist mehr als schmerzlich.» 

In dieses Horn stossen gleich mehrere Befragte. «Alle grossen TOs wollen nun selber zum Spezialisten werden», meint Martin Reber (Schär Reisen, Bern). «Dies scheint jedoch unmöglich, wenn man das Know-how der jungen Mitarbeitenden anschaut, die am Telefon Auskunft geben und vom Bildschirm ablesen.» Wer von einem grossen TO geschluckt werde, dem gingen eben früher oder später infolge Umstrukturierungen, Entmachtungen und Einbettung in fixe Strukturen  Know-how und Flexibilität verloren.

Einige Retailer arbeiten darum vermehrt lieber mit kleineren Spezialisten zusammen und geben teils Codes zurück, wenn sie geforderte Kommissionsstufen nicht erreichen können. 

AUF WENIG GEGENLIEBE stossen die Versuche, Mitarbeitende durch On-linetools zu ersetzen. Die heute gängigen Onlineschulungen könnten vielleicht Wissen vermitteln, meint Frieda Bässler-Müller (Metro, Luzern), «aber das Herzblut und die Freude können diese nicht rüberbringen.» Reto Kuratli hält die «riesigen Investitionen in EDV-Systeme» für wenig hilfreich und für «mitschuldig am Personal- und damit am Kompetenzabbau».    

Die TI-Umfrage ergab auch positive Äusserungen zum Thema Fachwissen. Petra Hubler-Schäfer (El-Travel, Biberist) lobt Spezialisten wie Kontiki, Railtour, Manta, Private Safaris, Soleytours, Baumeler, Imbach, Globotrek und Globo-Study. Bei den grösseren Playern bekommt die TTS-Gruppe gute Noten, weil sie trotz Übernahmen weiter ihre Spezialisten walten lasse.    

Roger Camenzind von Erwin’s Reisestube (Altdorf) stellt zwar einen gewissen Know-how-Verlust durch Wechsel fest. Man habe dadurch Ansprechpartner, die man nicht persönlich kenne. «Aber das ist eben der Lauf der Dinge. Wichtig ist, dass beim TO alles versucht wird, um dem Reisebüro zu helfen und dass die Buchung zustandekommt, auch wenn ich dafür mal auf einen Rückruf warten muss.» 

Im nächsten TI kommen die Veranstalter selbst zu Wort.

SG/JCR