Hohmeister: «In schlechten Zeiten etwas erreicht, was andere in guten nicht schaffen» (Ausgabe 2009-46)

Harry Hohmeister hatte am BTW seinen ersten Auftritt in der Branche als CEO von Swiss.

Im Keynote-Referat vor gut besetzten Rängen am Business Travel Workshop
(BTW) unter dem Titel «Wie kann sich die Swiss in der Krise behaupten?»
zeigte Swiss-CEO Harry Hohmeister die Situation der Airline-Branche und
insbesondere diejenige der Swiss auf.

Zur generellen Situation meinte Hohmeister, die Flugindustrie befinde
sich in ihrer grössten Krise mit riesigen Verlusten im laufenden Jahr.
«Dieser Sturm dauert wohl auch noch 2010 an. Insbesondere die
Veränderung im Klassenmix drückt auf die durchschnittlichen Erträge.
Die Nachfrage im Luftverkehr bleibt trotz leichter Verbesserungen
schwach. Die wirtschaftliche Erholung ist zwar in Sicht, aber
uneinheitlich. Während in den Schwellenländern die industrielle
Produktion wieder deutlich angezogen hat, ist dies in den
Industrieländern noch nicht der Fall. Es gibt noch nicht wirklich Licht
am Ende des Tunnels. Von 2010 bis 2012 wird es sicher noch keine
Erholung auf dem Niveau von 2008 geben», ist Hohmeister überzeugt.

Wie schlägt sich die Swiss in diesem Umfeld? Hohmeister: «Die Swiss
trotzt der Krise, aber der operative Ertrag ist ernsthaft angeschlagen.
Immerhin erzielen wir aber nach wie vor ein positives Ergebnis und sind
damit industrieführend in Europa. Wir haben in schlechten Zeiten mit
einer operativen Marge von 3,5 Prozent etwas erreicht, was andere
Airlines auch in guten Zeiten nicht schaffen.»

Nicht einzelne Faktoren seien entscheidend für den Erfolg, sondern das
Gesamtkonzept. Dabei seien Kosteneffizienz und Flexibilität äusserst
wichtig. «Unser langfristiges Commitment zeigen wir durch massive
Investitionen aus selber erwirtschafteten Geldern – zum Beispiel in
neue Flugzeuge, neue Produkte wie verbesserte Business und First Class
oder in Serviceprozesse, die wir neu erfinden», erklärte der Swiss-CEO.
Im Gesamtkonzept sieht Hohmeister drei wichtige «K», die man nie aus
den Augen verlieren dürfe: Kapazitäten, Kosten und Kunden.

Im Kapazitätsmanagement brauche es eine flexible, nachfragegerechte
Anpassung: «Wir haben gelernt, die Kapazitäten kurzfristig anzupassen.
Statt alle drei bis vier Monate überdenken wir nun alle zwei Wochen
unsere Kapazitäten. Dadurch resultiert bis jetzt ein Ergebnisbeitrag
von über 150 Millionen Franken. Trotzdem wurde das Produktbild, also
unser Flugplanangebot, nicht wesentlich beschnitten, weil wir im
Winterflugplan nur 50 von 2650 wöchentlichen Flügen streichen.»

Zur Daueraufgabe wurde die Reduktion von Kosten. Hohmeister erklärte:
«Dabei bleibt der Erhalt von Arbeitsplätzen höchste Priorität. Wir
haben mehrere mittelbare Personalmassnahmen umgesetzt: verzögerte
Nachbesetzung von Stellen, Abbau von Ferienguthaben, Abbau und
Vermeidung von Überstunden und unbezahlte Ferien. Die grosse
Solidarität unter den Mitarbeitenden führt zu hoher Akzeptanz dieser
Massnahmen mit dem Ergebnis der Sicherung von Arbeitsplätzen. Es ist
sehr erfreulich, dass sogar mehr und schneller umgesetzt wurde als
geplant.»

Das dritte «K» ist der Kunde. Hohmeister: «Wir investieren weiter in
den Kundenservice. Swiss füllt das Verkaufsregal kontinuierlich und
trägt das wirtschaftliche Risiko. Dabei denke ich an neue Flugzeuge,
neue Lounges, neue Premium-Klassen oder eine neue Preisstruktur. Auch
die E-Services sollen weiter ausgebaut werden. Die grosse
Herausforderung für uns alle lautet: Verstehen wir unsere Kunden von
morgen?»

Die weitere Entwicklung in der Airline-Branche bleibe spannend, so
Hohmeister: «Durch Übernahmen und Fusionen verändert sich die
Landschaft. Bereits gab es Bankrotte. Die Stückkosten sinken, zum
Beispiel mit dem Airbus A380, neue Segmente entstehen, beispielsweise
mit der Economy Plus. Zudem dringen die Low Cost Carrier auch auf die
Langstrecke.»

Chris Probst