Homecarrier Swiss und die Reisebüros (Ausgabe 2015-12)

Mangelnde Sensibilität

Das Verhältnis zwischen dem Homecarrier Swiss und der Reisebranche war stets schon konfliktbeladen. Jede Neuerung im Vertrieb, die in den letzten Jahren in der Industrie weltweit Einzug hielt und auch von Swiss früher oder später aufgegriffen wurde, sorgte für entrüstete Reaktionen. Das war schon bei «Nullprozent» so, heute mit wenigen Ausnahmen globaler Standard. Oder beim «Preferred-Fares-Modell», von welchem kaum jemand mehr spricht. Aktuell sind es etwa weitere Restriktionen beim Agency Support, Anpassungen bei Grosskunden-Verträgen oder die Folgen des neuen Tarifkonzepts in Europa, die für teils heftige Reaktionen bei den Reisebüros sorgen. Jeder Schritt wird da und dort als gezielter Angriff auf den Reisebüro-Vertrieb interpretiert. 

So, wie sich die Reisebüros in einer Phase des Wandels neu ausrichten und ihre «Raison d’être» definieren müssen, ist die Swiss gefordert, sich ihrerseits dem rasanten Umbruch in der Industrie zu stellen. Sie tut dies bislang erfolgreich, wie die Jahreszahlen 2014 erneut belegen. Die eingeleiteten Schritte (Modernisierung der Flotte, Fokus auf Kundennutzen etc.) dürften in die richtige Richtung zielen: Fünf Milliarden Franken werden in den nächsten Jahren investiert, damit Swiss ihre Rolle im Airline-Konzert spielen kann. 

Dass im Online-Zeitalter auch die Vertriebsprioritäten umgepflügt werden, kann Swiss nicht als böswillige Attacke auf die Reisebüros unterstellt werden. Wohl aber darf die Art und Weise kritisiert werden, wie der Homecarrier mit dem wichtigen Vertriebspartner, den (On- oder Offline-)Reisebüros, oft umspringt. Mit verblüffender Regelmässigkeit gelingt es Swiss, dank mangelnder Sensibilität und einer offenbar wenig überzeugenden Kommunikation, bei jeder Neuerung die Reisebüros wieder gegen sich aufzubringen. Sie verlangt von den Reisebüros – zu Recht – Verständnis für die schwierige Situation in der Airline-Industrie. Vielleicht wäre es angebracht, wenn auch die Airlines etwas mehr Verständnis für die Lage der Reisebüros aufbringen würden.

Beat Eichenberger