Hurtigruten vor der Zerreissprobe (Ausgabe 2008-37)

Jean-Claude Raemy zu den Problemen von Hurtigruten

Dem norwegischen Traditionsunternehmen Hurtigruten geht das Geld aus.
Seit Jahren schreibt die Firma Verluste, und nun hat der Mix aus hohen
Investitionen und gleichzeitig hohen Treibstoffpreisen bei leicht
schwächelnder Nachfrage die Geldreserven fast aufgebraucht.

Ist die sogenannt «schönste Seereise der Welt» in ernsthafter Gefahr?
Wohl nicht. Aber so, wie wir sie heute kennen, wird es die Reisen mit
den Hurtigrutenschiffen nicht mehr lange geben. Die Firma Hurtigruten
ist im Wandel. Um die Schulden zu tilgen, wurden bereits Konzernteile
verkauft, die nichts mit Tourismus zu tun haben, also Offshorefirmen
und Tankschiffe. Dazu werden nun auch Fähren, Busse und Schnellboote,
welche für den Lokalverkehr in Nordnorwegen eingesetzt wurden,
abgestossen. Und die Flotte der Postschiffe wird reduziert: Die MS
Nordnorge, eines der grösseren Schiffe, soll verkauft oder verleast
werden. An dessen Stelle wird künftig das relativ alte und kleine
Schiff MS Nordstjernen eingesetzt.

Das Grundproblem von Hurtigruten ist damit aber nicht gelöst: Die
Gesellschaft muss einen Spagat zwischen Service Public für die
norwegische Öffentlichkeit und touristischen Kreuzfahrten vollbringen.
Der Staat Norwegen bezahlt Hurtigruten gemäss einem bis 2012 gültigen
Vertrag dafür, dass 31 Küstenorte im täglichen Liniendienst angefahren
werden. So werden auch abgelegene Orte versorgt. Logistisch und aus
Kostengründen ist eine solche Operation aber nicht rentabel.

Für verwöhnte Kreuzfahrtkunden ist dazu der Standard der Hurtigruten
(Kabine, Unterhaltung, Mahlzeiten) im Vergleich mit klassischen
Kreuzfahrtgesellschaften relativ schlecht, zumindest gemessen am hohen
Preis. Dieses Preis-Leistungs-Gefälle vermag die schöne
Küstenlandschaft Norwegens nur bedingt zu kompensieren.

Das weiss auch Hurtigruten-CEO Olav Fjell. Er hat nach gescheiterten
Neuverhandlungen mit der Regierung bereits angekündigt, spätestens 2012
weniger Küstenorte anzufahren und die Investitionen in das touristische
Produkt Hurtigruten weiter zu intensivieren. Wenn der Gesellschaft
nicht vorher das Geld ausgeht: Der Börsenkurs ist tief, einige
Grossaktionäre wollen aussteigen. Doch die Hurtigruten ist Schlagader
des Tourismus im Land und verbindet die wichtigsten Sehenswürdigkeiten
miteinander. Ein Aus wäre ein herber Verlust für die norwegische
Tourismusindustrie – und für Skandinavienfans in aller Welt.