Jeder ist sich selbst der Nächste (Ausgabe 2010-10)

Cédric Diserens, Redaktor TRAVEL INSIDE (français)

«For The Times They Are A-Changin’»… Dylans Welthit beschreibt
treffender denn je die Reisebranche. Sicher erinnern sich einige noch
an das Zeter- und Mordio-Geschrei, das losbrach, als Easyjet
verkündete, auf den Agenten verzichten zu können. Heute halten sich
einige krampfhaft an der Illusion fest, die Rolle des Agenten
unverändert ins 21. Jahrhundert hinübergerettet zu haben. Doch ist der
Agent tatsächlich noch unentbehrlich? Die Frage ist mehr als
berechtigt, betrachtet man die Werbebotschaften, welche verschiedene
Leistungserbringer in der Romandie verbreiten.

Die Fluggesellschaften setzen mehr und mehr auf Werbekampagnen, in
denen die Agentur nicht mehr explizit erwähnt wird. Beispiel: die
Plakate der Swiss. Einzige Kontaktmöglichkeit: swiss.com. Nüchtern,
aber unmissverständlich. Bleiben wir bei der Luftfahrt: Air France-KLM
will sich bei den Agenten wieder beliebter machen, sagt Alpen-Direktor
Vincent Vogt. Parallel zur Charmeoffensive bei den Agenten versendet
die Gesellschaft ein Werbemailing mit dem Hinweis «Keine Dossiergebühr
auf airfrance.ch – profitieren Sie das ganze Jahr!»

Ebenfalls per E-Mail warb vor Kurzem Alitalia, mit dem Buchungshinweis
«alitalia.ch, 0848 486 486 und Reisebüros». Die Lektüre des
Kleingedruckten offenbart, dass die genannten Preise für Flüge gelten,
die via eigene Webseite oder Callcenter gebucht werden, wo keine
Servicegebühren anfallen. Solche können jedoch von anderen
Vertriebskanälen erhoben werden, fügt Alitalia an. Dabei sind die
Airlines nicht die einzigen, die diese Taktik anwenden. Eine derzeit
laufende Kampagne für Korsika preist die attraktiven Tarife der
Fährengesellschaft SNCM, mit Verweis einzig auf die Webseite der
Gesellschaft sowie auf www.visit-corsica.com.

Diese Tendenz ist unleugbar, ja bereits eine Realität, der es zu
begegnen gilt. Jedes Unternehmen – egal in welchem Wirtschaftssektor
tätig – versucht seine Kundschaft direkt anzusprechen und so den
Zwischenhandel auszuschalten. Ist das Fairplay? Das dürfte die falsche
Frage sein. Der Kampf der Agenten, auf Biegen und Brechen in der
Kommunikation des Leistungserbringers erwähnt zu werden, ist von
gestern. Vielleicht muss sich der Agent heute – und hier liegt die
Herausforderung – dem Kunden als zwangsläufiger und unverzichtbarer
Mittler präsentieren. Als Mittler, welcher dem Kunden Komfort und
Service bietet, den er im Internet oder beim Callcenter nicht bekommt.