Jetzt ist ein akzeptabler Kompromiss gefordert (Ausgabe 2008-04)

Chris Probst über die angekündigten GDS-Gebühren

Unzufriedene Airlines: Swiss und Lufthansa wollen ihre Vertriebskosten
senken. Die beiden Airlines sprechen davon, dass das Geschäftsmodell
GDS überholt sei, die europäischen Airlines benachteilige und die
durchschnittlichen Segmentkosten, die sie Galileo, Amadeus, Sabre und
Worldspan zu bezahlen haben, viel zu hoch seien. Es ist ein legitimes
Anliegen von Swiss und Lufthansa, ihre Kosten in diesem Bereich senken
zu können. Denn nicht wenige Insider glauben zu wissen, dass die GDS in
der gesamten Dienstleistungskette bei den Flugbuchungen immer noch am
meisten Geld verdienen. Diese Behauptung zu bekräftigen oder zu
widerlegen, ist nicht ganz einfach.

So funktioniert’s: Die Airlines stellen Verfügbarkeiten und Tarife zur
Verfügung, die GDS ein System für den Vertrieb dieser Flüge, vorwiegend
über den Reisebürokanal. Airlines und GDS schliessen dazu Verträge ab,
im Idealfall Full-Content-Verträge, die garantieren, dass sämtliche
verfügbaren Flüge und Tarife den GDS und somit den Reisebüros zur
Verfügung stehen. Für ihre Dienstleistungen verrechnen die GDS den
Airlines für jeden gebuchten Flug eine Segmentgebühr. Genau diese
Gebühren sind den Airlines aber ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt, weil
die Reisebüros auf der anderen Seite für Buchungen via GDS einen
Incentive erhalten.

Verhandlungen: Logische Folge sind neue Verhandlungen zwischen den
Airlines und den GDS. Könnte man meinen. So einfach gestaltet sich die
Lage nicht, denn die Airlines involvieren auch die Reisebüros in die
Diskussionen. Diese sollen mithelfen, die Vertriebskosten zu senken,
indem sie entweder bei Buchung über die GDS höhere Tarife oder dann
Gebühren auf die bisherigen Tarife bezahlen sollen. Mit Fairness oder
Partnerschaft hat das überhaupt nichts mehr zu tun. Die
Airline-Verantwortlichen müssen sich ernsthaft die Frage gefallen
lassen, ob sie überhaupt noch mit Reisebüros zusammenarbeiten wollen.

Heftige Proteste des SRV: Es ist verständlich, dass die Reisebüros
keinen Gefallen an diesen Vorschlägen findet. Hans-Jörg Leuzinger,
Präsident des Schweizerischen Reisebüro-Verbandes (SRV) hat die
Angelegenheit zur Chefsache erklärt und akzeptiert den Vorstoss in
keiner Art und Weise. Es klingt unverständlich, dass die Reisebüros das
Produkt von Swiss und Lufthansa verkaufen – die Reisebüros sind nach
wie vor der wichtigste Absatzkanal – und dafür die Airlines noch
entschädigen sollen. Das gibt es wohl in keiner anderen Branche. Die
Entwicklung ist für die Reisebüros bitter. Früher gab’s für
Flugbuchungen noch Kommissionen. Dass man nun nichts mehr direkt
verdient und seinen Verdienst via Buchungsgebühren bei den Kunden
reinholt, daran hat man sich mittlerweile gewöhnt. Aber für
Dienstleistungen, die man erbringt, noch selber in die Tasche greifen
zu müssen, können und wollen die Reisebüros sicher nicht akzeptieren.
Der SRV muss sich einzig den Vorwurf gefallen lassen, blauäugig und
unvorbereitet in die heutige Situation geraten zu sein. Es war bloss
eine Frage der Zeit, bis Swiss mit diesem Vorstoss kommt. Eine
Überraschung ist es für Insider ganz sicher nicht.

Alternative zu GDS? Swiss will mit einem Online Agentenportal eine
Alternative zu den GDS bieten. Bis im Sommer 2008 soll dieses bereit
sein. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es die Airline schafft,
innerhalb so kurzer Zeit eine echte Alternative zu den GDS aus dem
Boden stampfen zu können. Anbindung an Backoffice-Systeme? Keine Lösung
in Sicht, aber eine entsprechende Schnittstelle zu bauen, ist kein
Pappenstiel, kostet relativ viel und nimmt sehr viel Zeit und
Ressourcen in Anspruch. Was ist mit Interline-Buchungen und -Tarifen?
Dies sind nur zwei Beispiele von möglichen Problemstellungen. Ein
Agentenportal auf der Swiss Website dürfte allenfalls höchstens für
Kleinstbüros zur Diskussion stehen. Es ist nicht auszumalen, wie
kompliziert die Arbeit für die Reisebüros wäre, wenn statt über GDS nun
jede Airline einzeln auf einem Webtool gebucht werden müsste. Dann wäre
man ungefähr wieder soweit wie zu Beginn der 1980er-Jahre. Das kann es
nun wirklich nicht sein.

Druckmittel: Unterschätzen die Airlines die Funktionalität und
Wichtigkeit der GDS? Gerade die Airlines, welche ja einst die GDS ins
Leben gerufen haben? Wohl kaum. Es dürfte auch den Airlines klar sein,
dass die GDS wichtige Funktionen im Vertrieb wahrnehmen. Was wollen
Swiss und Lufthansa mit ihrem Vorstoss denn erreichen? In erster Linie
handelt es sich um ein Druckmittel auf die GDS. Und dazu spannen die
Airlines die Reisebüros vor den Karren. Die Tatsache, dass vor der
Ankündigung Ende letzter Woche keine aktuellen Verhandlungen zwischen
den Vertragspartnern stattgefunden haben, zeigt klar, dass es sich hier
nicht um das
Endergebnis handelt. Die acht Franken sind eine Wunschvorstellung der Airlines.

Die Zukunft: Wohl niemand – nicht einmal die Verantwortlichen von Swiss
und Lufthansa – glaubt ernsthaft daran, dass am 1. Oktober 2008
Segmentgebühren von acht Franken eingeführt werden. Aber es wird nun
harte Verhandlungen geben: zwischen den Airlines und den GDS, zwischen
den Airlines und den Reisebüros, beispielsweise vertreten durch den
SRV, oder auch zwischen SRV/TOs und GDS-Vertretern. Es läuft wohl auf
eine Kompromisslösung hinaus. Segmentgebühren (oder ein ähnliches
System) ja, aber nicht in dieser Höhe. Aufhalten kann diese Entwicklung
vielleicht niemand, wie die jüngste Geschichte in den USA und in
Grossbritannien zeigt. Aber es kann sicher nicht sein, dass die
Reisebüros alleine für den fehlenden Konsens zwischen Airlines und GDS
bezahlen müssen.