Kaum Bedarf für neue Kooperationsmodelle (Ausgabe 2008-30)

Jean-Claude Raemy zu den Plänen von Schmetterling

Viele unabhängige Schweizer Reisebüros stehen unter Druck:
Leistungsdruck der Anbieter zum Halten der Kommissionsstufe,
Erfolgsdruck im Sinne der langfristigen Sicherung des Reisebüros. Wer
nicht bestens etabliert ist oder sein Büro verkaufen kann, sucht
eventuell Anschluss bei Kooperationen.

Hier sieht die grösste deutsche Reisebüro-Kooperation Schmetterling
Reisen mit ihren über 2500 Mitgliedern noch Chancen. Bislang zählt
Schmetterling hierzulande erst 20 Reisebüros zu seinen Partnern. Doch
man will das europaweite Netzwerk ausbauen – weshalb nebst
Niederlassungen in Deutschland und Polen nun auch ein Schweiz-Ableger
in Koblenz eröffnet wurde. Von hier aus werden die Serviceleistungen
für Mitglieder «näher am Markt» angepriesen: Dazu zählen IT-Ausstattung
und IT-Support, Schulung und Weiterbildung, Marketing-Unterstützung
sowie Aushandeln von Rahmenverträgen für den Counterbedarf.

Geht Letzteres in der Schweiz? In Deutschland oder Polen haben die
Partner-Reisebüros auf das gesamte touristische Veranstaltersortiment
Zugriff und erzielen damit laut Schmetterling einen höheren
wirtschaftlichen Ertrag. In der Schweiz haben die grossen Marktplayer
wie Kuoni oder Hotelplan aber bereits vor Jahren – bevor Schmetterling
erstmals die Fühler nach der Schweiz ausstreckte – klar gemacht, dass
Gruppendeals von Reisebüro-Kooperationen bis auf wenige Ausnahmen kein
Thema sind. Eine andere deutsche Kooperation, TSS, welche vor zwei
Jahren via der jetzt konkursen Sultan Reisen in der Schweiz einsteigen
wollte, ist von der Bildfläche verschwunden. Es ist denkbar, dass auch
bei Schmetterling der allfällige Erfolg auf die grenznahen Büros
beschränkt bleiben könnte, wo Schmetterlings deutsches und
internationales Vertriebsnetz die Nachfrage eher befriedigt als im
Schweizer Kernland.

Mit Gewalt will Schmetterling nicht auf den Schweizer Markt preschen.
Der Einstieg über den IT-Partner Tour Online ohne grosses Trara
unterstreicht dies. Ob die Kooperations-Vorteile genügen, um viele
Reisebüros in Scharen – man will ja Nummer 1 werden – zu Schmetterling
zu locken, ist sehr fraglich. Schlecht wäre ein neuer Impuls im freien
Reisebürovertrieb aber auch nicht. Denn angesichts endloser
Diskussionen über Provisions- und Beitragsmodelle ist die Diskussion
über neue Vertriebskonzepte, Kundenwünsche oder das Für und Wider des
Handelsvertreterstatus (zu) weit in den Hintergrund
gerückt.