Als das Internet als Such- und Buchungskanal immer wichtiger wurde und den Leistungsträgern direkten Zugang zu Kunden weltweit ermöglichte, sahen viele das Ende der Reisebüros gekommen. Es wurden tatsächlich viele Reisebüros vom Markt gedrängt. Allerdings nur jene, welche als reine Buchungsstellen fungierten und nicht konsequent auf persönlichen Kundenservice setzten. -Aktuell sind viele Reisebüros in einer guten Lage.
Wer eine Reise buchen will, hat heute unzählige Alternativen. Im Prinzip lässt sich alles selber herausfinden, selber buchen, direkt bezahlen. Das ist aber zeitaufwändig. Vielleicht weiss diese Person auch gar nicht so richtig, was sie eigentlich will. Vielleicht ist sie auch «überinformiert» und weiss nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Ein «Gatekeeper», also eine Beratungs- und Informations-Filtrierungsstelle, ist deshalb für viele Käufer ein Bedürfnis.
Ebenso gibt es ein Bedürfnis nach vertrauenswürdiger Information und persönlichem Service. Das Internet ist ein wunderbares Tool, schafft aber keine persönliche Kundenbeziehung und demzufolge nur volatile Loyalitäten Netscape, MySpace & Co. lassen grüssen. Ferner sind Web-Tools leicht kopierbar, während jede zwischenmenschliche Beziehung ein USP ermöglicht. Soziale Medien schaffen zwar die Illusion von Beziehungen und so stützen sich viele Reisekäufer auf Bewertungen und Tipps fremder Personen im Web. Doch das stärkste Marketingtool ist und bleibt der mündliche Tipp von uns nahestehenden Personen, denen wir vertrauen. Und da es bei Reisen oft um viel Geld geht, sollten Reisebüros Vertrauenspersonen sein wie Ärzte oder Anwälte.
Das geht nur mit Destinations-Know-how und professionellem Service. Überdies sollte man seine Kunden genau kennen und diesen massgeschneiderte Produkte bieten können. Mikro-Touroperating? Risikobehaftet. Doch nun erhalten Agenten Unterstützung: Ihre Nähe zum Kunden und ihre lokale Verankerung sind auch in der globalisierten und elektronisierten Welt ein höchst wertvolles Gut. So sehr, dass jetzt Kooperationsvorschläge von TOs kommen wie der Aufruf von Kuoni zur Content-Mitgestaltung im Rundreisekatalog. So wird Expertenwissen genutzt und gleichzeitig die Beziehung zum Reisebüro-Kunden gestärkt. Ein deutliches Signal dafür, dass der Vertrieb und die Produktion künftig noch enger miteinander verschmelzen werden. Und dass die Reisebüros durchaus nicht «Junior Partner» in der touristischen Wertschöpfungskette sein müssen.
Jean-Claude Raemy



