Kulanz kostet mehr als Katastrophen (Ausgabe 2010-22)

Sara Marty zu Konsequenzen des Vulkanausbruchs für die Reiseversicherer

Die Luftraumsperrung wegen Vulkanasche ist das teuerste Einzelereignis,
das Jürg Wittwer seit seinem Amtsantritt als Elvia-CEO im Jahr 2002 zu
verbuchen hat. Bitter: Elvia/Mondial Assistance wäre zu kaum einer
Zahlung verpflichtet. Nur die Island-Reisenden haben einen in den
Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) festgehaltenen Anspruch auf
Versicherungsleistungen. Alle anderen betroffenen Elvia-Versicherten
kommen einzig dank der beschlossenen Kulanz in den Genuss von Geld.

Doch ist es wichtig, dieses Ereignis in die richtigen Relationen zu
rücken. Es hat so manchen in der Reisebranche an die Grenzen der
Belastbarkeit gebracht und wird viele Bilanzen trüben – auch jene der
Versicherungsunternehmen. Dennoch tragen solch aussergewöhnliche
Ereignisse nur einen kleinen Teil zur gesamten Schadensumme bei, für
die Versicherer jahrein, jahraus aufzukommen haben. Wittwers
Überzeugung, dass die Deckung solcher Ereignisse für Reiseversicherer
wie Elvia zur Pflicht gehört, wird ihn langfristig betrachtet nicht
teuer zu stehen kommen. Unangenehm ist bloss, dass genau dieser Fall
durch die aktuellen AVB nicht berücksichtigt wird. Ein unbeabsichtigtes
Versäumnis, das baldmöglichst korrigiert werden soll.

So gemahnt uns der Vulkanausbruch, dass eben auch Vertragsbedingungen,
dieser sinnbildliche Felsen in der Brandung der Unklarheiten und
Unsicherheiten, nur ein Menschenwerk und dementsprechend unvollkommen
sind. Beim Studium der AVB verschiedener Schweizer Reiseversicherer
fällt eine nicht von der Hand zu weisende Ähnlichkeit auf. Der
Verdacht, dass sich einer vom anderen «inspirieren» lässt, liegt nahe.
Wir dürfen also gespannt sein, ob, und falls ja wann und wie, die
Versicherer den Fall der reisebehindernden Naturkatastrophe in einem
Drittland in ihre AVB integrieren werden.

Doch zuerst muss der aktuelle Fall aufgearbeitet werden, und da gehen
die Versicherer unterschiedliche Wege. Elvia verlangt von ihren Kunden
eine Vollmachtserklärung, um bei den Airlines für weitere Zahlungen
vorstellig werden zu können. Andere verlangen, dass der Kunde selbst
bei Airlines, TOs etc. vorstellig wird, um Bestätigungen einzuholen,
dass er kein Geld
erhält. Das kostet Zeit und – man denke an die Qualität heutiger Call
Center – Nerven. Es ist anzunehmen, dass so mancher das Handtuch wirft,
bevor er überhaupt mit der Prozedur begonnen hat. Kundenfreundlich ist
das nicht, es dürfte aber so manche Auszahlung ersparen.