Kultur ist mehr als Pyramiden und Tempel (Ausgabe 2013-18)

Ägyptens Kulturtourismus stockt

«Immer wenn wir gerade gedacht haben, jetzt geht es endlich aufwärts, dann ist wieder irgend etwas Dummes passiert.» So wird ein Hotelier aus Kairo in der deutschen Zeitung «Der Westen» zitiert. Tatsächlich hat Ägypten das Problem, dass jede kleine Negativmeldung – wie es sie aus anderen Ländern ebenfalls zuhauf gibt – aufgebauscht und in einen Kontext mit der Revolution gebracht wird. Hinzukommt auch noch Pech: Der Absturz eines Heissluftballons bei Luxor etwa hat mit der politischen Situation überhaupt nichts zu tun, doch es ist eine Negativmeldung mehr im Gedächtnis der Leute.

Bisher argumentierten die Ägypten-Vertreter stets, dass sich die Unruhen nur auf ein paar Häuserblocks in Kairo beschränken und der Rest des Landes absolut friedlich ist. Das stimmt natürlich – nur brachte die Revolution eine Reihe von Begleiterscheinungen mit sich, quasi eine Kausalitätskette, die sich durchaus auf den Tourismus im ganzen Land auswirkt. Zum Beispiel: Aufgrund der Revolution bricht der Tourismus ein, dadurch leiden die Geschäfte der kleinen Händler, diese werden in ihrem Überlebenskampf immer verzweifelter und aufdringlicher; das stösst den verbleibenden Touristen sauer auf; diese machen Negativwerbung für Ägypten… 

Ein Teufelskreis.

Kritisch wird es dann, wenn die ägyptische Bevölkerung die Tourismuskrise als Hebel einsetzt, um ihre Forderungen und Anliegen durchzubringen. Sowohl das Tal der Königinnen als auch das Tal der Könige wurden kürzlich aufgrund von Protestaktionen der lokalen Bevölkerung gesperrt. In solchen Momenten wird die Politik aus Kairo hinaus in die Touristen-Hotspots getragen, und das eingangs erwähnte Argument gilt plötzlich nicht mehr. 

Gleichzeitig muss sich der Reisende natürlich auch bewusst sein, dass er eine Reise in eine fremde Kultur unternimmt und all diese Erscheinungen Teil der ägyptischen Kultur sind – Kultur umfasst nicht nur Pyramiden und Tempel. Die Strassenhändler etwa hatten noch nie den Ruf, äusserst zurückhaltend zu sein, und auf dem brandneusten Stand war die touristische Infrastruktur auch früher selten. Wer sich darauf einstellt oder zumindest offen für eine andere Mentalität ist, verbringt in Ägypten zurzeit Kulturferien mit so kurzen Wartezeiten, wie es sie schon seit Jahren nicht mehr gegeben hat. Das können Veranstalter und Reisebüros aktiv bewerben – und gleich noch das Argument mit dem eigenen Reiseführer mitliefern. Diese halten nämlich auch die aufdringlichen Händler auf Abstand.

Stefan Jäggi