Letzten Goodwill leichtfertig verspielt (Ausgabe 2006-39)

Urs Hirt über den Streik der Jumbolino-Piloten

Böse Erinnerungen wurden wachgerüttelt, als am Dienstag 24 Jumbolinos der Swiss für 24 Stunden am Boden standen, 134 Flüge annulliert werden mussten und rund 8300 Passagiere strandeten. Fast genau fünf Jahre nach dem Grounding der Swissair streikten in der Geschichte der Schweizer Luftfahrt zum ersten Mal Piloten. Swiss Pilots, die Gewerkschaft der ehemaligen Crossair-Piloten, rief den Streik aus, nachdem sich 82% der Mitglieder für Kampfmassnahmen ausgesprochen hatten. Die Jumbolino-Piloten fühlen sich gegenüber ihren Airbus-Kollegen innerhalb der Swiss European benachteiligt. Es gehe dabei nicht alleine um die schlechteren Anstellungsbedingungen, sondern auch um die fehlende Wertschätzung und die harte, kompromisslose Haltung der Swiss, lässt Swiss Pilots verlauten.

Bei allem Verständnis für die Anliegen von Gewerkschaften und Arbeitnehmern: Mit dem Streik hat Swiss Pilots sich selbst und der Sache einen Bärendienst erwiesen. Das Image der Swiss und der Schweiz wurde ramponiert. Die Passagiere, ohne die es auch für die am Dienstag streikenden Piloten keine Arbeit und keinen Lohn gäbe, wurden verärgert. Mit der passiven Präsenz der Piloten am Flughafen und dem fast schon arroganten Auftreten der Swiss-Pilots-Verantwortlichen in den elektronischen Medien haben sie bei Kunden und Bevölkerung den letzten Goodwill verspielt. Das Image von Swiss Pilots war schon wegen der manipulierten GAV-Abstimmung stark angekratzt.

Swiss Pilots muss akzeptieren, dass sich das wirtschaftliche Umfeld verändert hat und weiter verändern wird. Die Ausgliederung regionaler Flotten zu anderen Anstellungsbedingungen ist zum Branchenstandard geworden. Wer nicht mitspielt, verliert. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer wieder gefordert. Emotionale Betrachtungsweisen haben da kaum mehr Platz, ob das nun gefällt oder nicht.

Die beiden Parteien werden sich wieder an einen Tisch setzen und Lösungen finden müssen. Ob die Forderungen der Gewerkschaft gerechtfertigt sind und wie weit Swiss darauf eingehen kann und wird, sei dahingestellt. Swiss wird sich jedoch hüten, mit zu viel Entgegenkommen einen Präzedenzfall zu schaffen. Swiss steht weniger unter Druck, denn Swiss Pilots hat mit dem Streik die eigene Verhandlungsposition geschwächt. Unterstützung findet sie nur noch in den eigenen Reihen.