Lugano-Agno ist derzeit kein internationaler Flughafen mehr (Ausgabe 2013-40)

Der Wegfall von Minoan nach kurzem Gastspiel trifft den Tessiner Flughafen hart. Direktor Alessandro Sozzi kämpft engagiert fürs Überleben seines Airports.

Der Flughafen Lugano-Agno ist der kleinste der fünf internationalen Flughäfen der Schweiz und der einzige Flughafen im italienischen Landesteil, auf welchem kommerzielle Flüge zugelassen sind. Seine goldenen Zeiten erlebte der Flughafen in den 80er und 90er Jahren, als Crossair zahlreiche Flüge zu Zielen in der Schweiz und in Europa ab Lugano anbot, so dass im Rekordjahr 1999 über 360000 Passagiere abgefertigt wurden.

Heute ist man weit davon entfernt. Derzeit bedient eine einzige Airline den Flughafen: Darwin, welche im Linienverkehr Genf und – im Codeshare mit Swiss – Zürich anfliegt sowie saisonal einige Badeferienziele in Italien und Frankreich. Die griechische Minoan Air hat am 1. September die Routen Lugano–Wien und Lugano–Rom eingestellt, die angekündigte Route von Lugano nach Paris wurde gar nie aufgenommen. «Wir müssen akzeptieren, dass der Tessiner Markt unser Produkt nicht schätzt. Anders ist es nicht zu erklären, dass der vorherige Carrier auf der Rom-Strecke (Darwin, Anm. d. Red.) 18000 Passagiere pro Jahr verzeichnen konnte und wir nur die Hälfte», schrieb Minoan Air in einer Mitteilung.

Gewiss, der Tessiner Markt ist beschränkt und die Nähe der Mailänder Grossflughäfen ist eine ernste Konkurrenz. Für eine Expansion gibt es geografische Einschränkungen und auf der nur 1350 m langen Piste dürfen grössere Flugzeuge gar nicht erst landen. Aber die Flughafen-betreiberin LASA und deren Direktor Alessandro Sozzi kämpfen mit Haken und Ösen für den Fortbestand des Flughafens, was im Tessin auch zu Nebengeräuschen und unschönen öffentlichen Auseinandersetzungen geführt hat. 

Kritik an Sozzi wurde laut, weil für den Betrieb der Route von Lugano nach Rom offenbar ein Vorvertrag mit der italienischen Winfly bestand; als Minoan Air den Vorzug erhielt, bestand Winfly auf Schadenersatzzahlungen. Das rasche Aus von Minoan Air in Lugano hat die Kritik natürlich weiter befeuert. Weiter wurde der LASA quasi eine Verschleuderung von öffentlichen Gel-dern vorgeworfen: Die Gemeinde Lugano hatte dem Flughafen 2011 einen Überbrückungskredit von CHF 9 Mio. gewährt, auch weil damals Darwin in Schwierigkeiten war; die LASA hat der Darwin offenbar Zahlungsaufschub gewährt und anderweitig unter die Flügel gegriffen, weil Lugano nach dem Aus von Crossair nicht auch noch ein Aus von Darwin hätte verkraften können und laut Sozzi «zu einem Flugfeld degradiert worden wäre». Wobei dieses Vorgehen nicht kritisiert wird. Die Kritik bezieht sich auf die Anschaffung von teuren In-frastrukturen, etwa gleich drei Gepäckbändern, einem Feuerwehr-Fahrzeug für CHF 1,2 Mio., einem Lift für Behindertentransporte oder diversen Hangarfahrzeugen (Lugano-Agno hat gar keinen Hangar).

Alessandro Sozzi hat alle Akquisitionen begründet und bezieht sich dabei hauptsächlich auf Normen, deren Erfüllung für die Betriebskonzession des Flughafens Lugano notwendig ist. Des Weiteren stellt er klar, dass die LASA der Winfly keinerlei Entschädigungszahlungen zukommen lasse. Zu guter Letzt glaubt er, dass Minoan von Tessiner Medien und Konsumenten unfair diskreditiert worden sei.

Wie dem auch sei: Die Probleme des Flughafens bleiben bestehen. Ob die geplante Verlängerung der Piste um 220 m Abhilfe schafft, ist offen. Und ein Ersatz für Minoan konnte bis dato nicht präsentiert werden. So wird international vorerst nur noch in der Business Aviation geflogen.

Jean-Claude Raemy