Mehr Zersplitterung, weniger Konkurrenz (Ausgabe 2012-05)

Widerstandsfähige Romandie

Das Geschäftsjahr 2011 war für zahlreiche Unternehmen der Schweizer Reisebranche ein Albtraum. Die gesamte Branche wurde durch Faktoren, deren Ursachen sie nicht selber verschuldet hat, in Mitleidenschaft gezogen. Dabei fällt auf, dass die Romandie der Krise viel besser standgehalten hat, was auch die beiden Grossveranstalter bestätigen, die in der französischsprachigen Schweiz aktiv sind. Ihre grosse Widerstandsfähigkeit haben indes nicht nur die beiden Grossen, sondern auch die zahlreichen regionalen, unabhängigen Reiseanbieter unter Beweis gestellt. 2011 war kein schlechtes Jahr – ganz im Gegenteil.

Trotz einem leichten Rückgang der Leisure-Verkäufe um 5% hat Kuoni 2011 das beste Resultat aller Zeiten in der Romandie erzielt. Es gilt hervorzuheben, dass die insgesamt 27 Verkaufsstandorte von Kuoni im klassischen Retailing mit Gruppen-, Leisure- und Businessgeschäft die turbulente Zeit finanziell schadlos überstanden haben. Dem Vernehmen nach hat auch Hotelplan seine Zielsetzungen in der Westschweiz erreicht. Bei beiden Veranstaltern ist der aktuelle Buchungsstand zudem alles andere als besorgniserregend. 

Was sind die Gründe für diesen «Sonderfall Romandie»? Zunächst ist da der zersplitterte Markt ohne richtig dominierenden Player. Die Grossveranstalter und ihre Spezialisten, die Deutschschweizer TTS-TOs und die Veranstalter aus der Romandie kommen um die vielen unabhängigen Retailer nicht herum. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese nun Mitglieder einer der grossen Westschweizer Reisebürovereinigungen (AVP, APR, TPA) sind oder nicht. 

Weiter fehlen im Gegensatz zur Deutschschweiz die «Preisbrecher» und hochaktiven Online-Agenten. Diesseits des Röstigrabens haben sich deutsche Veranstalter nicht zuletzt dank der Schwäche des Euro immense Marktanteile unter den Nagel gerissen. In der Westschweiz gab es keine solche Entwicklung, weil es schlicht keine ausländischen TOs mit Flugangeboten ab Genf hat. 

Nicht zuletzt buchen die Kunden aus der Romandie viel mehr individuelle bzw. massgeschneiderte Reiseangebote, selbst im hart umkämpften Badeferienmarkt. Sie sind (noch) einem klassischen Distributionsmodell treu und können auf unabhängige Retailer zählen, die in der Wahl ihrer Angebote noch weitgehende Freiheiten ge-niessen. Zurzeit ist diese Besonderheit ein Glücksfall und beschert den Unternehmen in der Romandie Umsätze, auf welche in der Deutschschweiz basierte TOs nicht verzichten wollen.