Internet und der neue Kundendruck machen die Reisebüros zu Mikro-TOs.
Und wie sollen Reiseveranstalter in Krisenzeiten opportunistischen
Kunden begegnen?
Kuoni-CEO Stefan Leser hält fest, dass die Veranstalter umdenken
müssen: «Der Kunde entscheidet, wie und wo er seine Reisen bucht. Hier
muss auch der TO konkurrenzfähig bleiben, sei es in Bezug auf Zugang,
Verfügbarkeit, Preise und Qualität.»
Der Konsument soll künftig für den Zeitpunkt seiner Buchung und den
Preis, den er erhält, selbst verantwortlich sein, so wie er dies bei
einer Flug- oder Hotelbuchung auch ist. Nur so könne künftig die
Profitabilität in der Reisebranche wieder gesteigert werden.
Leser weiter: «Wir müssen aus der Spirale
FrühbucherpreisKatalogpreisLast Minute ausbrechen und dem Image
entgegentreten, dass der klassische Veranstalter gegenüber den neuen
Medien und Direktangeboten nicht über aktuelle Preise verfügt.» Das
Kuoni-interne Grossprojekt «Patrouille Suisse» beschäftigt sich mit
neuen Bedürfnissen und Entwicklungen in der Branche.
TUI-CEO Martin Wittwer hatte seinerseits wiederholt erklärt, dass das
Reisebüro aktuell weniger Umsatz verliere als der Veranstalter. Nun
macht man sich auch bei TUI Gedanken, wie man sich am besten den neuen
Herausforderungen stellen soll. Das Internet als Tool soll künftig mehr
in die Vertriebsaktivitäten eingebunden werden, wie das etwa die
Aufschaltung von Pricecoach der neuen Buchungssoftware für
Motorhomes, Camper und Bikes Anfang Oktober beweist.
Wittwer führt aus: «Wir wollen den Reisebüros neue Tools bieten. Hier
eröffnen sich für beide Seiten Möglichkeiten. Wir können über ein
solches Webtool unseren Content dynamischer und tagesaktueller
anbieten, was dem Reisebüro zugutekommt. Allerdings muss man sich
überlegen, ob dann noch die volle Kommission zum Tragen kommt oder
vielleicht eine spezielle, tiefere Internet-Kommission.» Trotz solcher
Gedankengänge unterstreicht Wittwer, dass in diese Richtung noch nichts
entschieden sei.
Thomas Stirnimann, CEO von MTCH, sieht sein Unternehmen bereits gut
aufgestellt: «Flexibilisierung ist das Geschäftsmodell von Travelhouse,
in erster Linie auf der Qualitäts- und nicht der Preis-Schiene. Wenn
die Migration auf Mythos vollzogen ist, kann an den Prozessen
gearbeitet werden. Dann wird auch die Verfügbarkeit für die Reisebüros
besser und schneller.» Hotelplan-Pauschalarrangements müssen
ihrerseits preislich konkurrenzfähig bleiben. Diese bezeichnet
Stirnimann als den «für den Handel einfachsten Umsatz und wegen den
geringsten Prozesskosten auch rentabelsten Umsatz».
Stirnimann glaubt ferner, dass in besseren Zeiten, wenn die Nachfrage
das Angebot wieder übersteigt, die bisherigen Modelle wieder im Vorteil
sind: «Schlechte Zeiten sind Online-Zeiten. Das schliesst das
Mikro-TO-Verhalten der Retailer mit ein. Aber der Markt hat immer
recht, und dem Strukturwandel muss konsequent begegnet werden. Das
heisst, der TO muss an seiner Kostenstruktur arbeiten, die
Prozesskosten reduzieren, den Speed verbessern und seinen Mehrwert auch
dem Leistungsträger gegenüber weiterhin beweisen.»
Gegenüber dem Reisebüro sei der Mehrwert weiterhin gegeben
(Risikoübernahme, Gratiskataloge, Schulungen, etc.), «wenn allerdings
nur noch der nackte und opportunistisch eingekaufte Preis zählt,
muss dies in Frage gestellt werden». Sollte der Trend zu Mikro-TOs
weitergehen, müssten sich die TOs vermehrt um den direkten
Kundenverkauf bemühen, um ihre Distribution der Risiken
sicherzustellen.
Jean-Claude Raemy