Nachholbedarf beim Experten-austausch (Ausgabe 2012-02)

Das Spezialwissen der Filialmitarbeiter gewinnt bei grossen TOs an Bedeutung.

Geht es um die Koordination von Know-how und Experten innerhalb einer Reisebürokette, sind die grossen Schweizer Reiseunternehmen unterschiedlich weit. Eine Vorreiterrolle nimmt Kuoni ein: Vor einem Jahr hat der Veranstalter den Eigenvertrieb komplett reformiert. Zwei der Eckpfeiler sind dabei die neue Vertriebsrolle des Reiseexperten sowie die Datenbank Expert Exchange, die angibt, welcher Mitarbeiter über welches Spezialwissen verfügt. Reiseberater können damit während des Verkaufsgesprächs einen Experten live zuschalten – in Zukunft sogar per Videochat.

Vertriebsleiter Gianni Moccetti zieht nach einem Jahr eine positive Zwischenbilanz: «Es brauchte viel Überzeugungsarbeit. Viele hatten Bedenken, dass es ein Zeichen von Schwäche sei, während der Beratung eine Expertise einzuholen. Dabei ist es ein hervorragendes Verkaufsargument und die Kunden reagieren positiv.» Noch Verbesserungspotenzial sieht Moccetti bei der Definition, ab wann ein Mitarbeiter als Experte gilt, sowie bei der noch geringen Expertendichte in der Westschweiz und im Tessin.

Auch STA hat mit «Smart Travel» ein Tool entwickelt, in dem Wissen und Erfahrungen der Mitarbeiter abgespeichert werden und dank dem via Co-Browsing, Livechat oder Telefon Experten zu einem Beratungsgespräch beigezogen werden. «Smart Travel» ist gemäss STA aber erst ein Prototyp und wird in einigen wenigen Shops genutzt – eine flächendeckende Einführung steht noch nicht zur Diskussion.

Bei anderen TOs sind die Methoden noch etwas rudimentärer. TUI Suisse hat auf ihrer Website die Mitarbeiter mit Direkt-Mailadresse aufgeschaltet; sämtliche bereisten Länder des jeweiligen Mitarbeiters sind auf einer Weltkarte dargestellt. «Wenn man weiss, dass ein Kollege eine Destination besser kennt, kann man den Kunden dorthin verweisen oder den Kollegen per Telefon dazuschalten. Oder aber man fragt direkt im Tour Operating nach», erklärt Sprecher Roland Schmid. Weiter werden im Intranet alle Studienreisenberichte aufgeschaltet. Gemäss Schmid befindet sich zudem ein konzernweites Projekt für Wissens-management in Entwicklung.

Ganz ähnlich sieht es bei Knecht Reisen aus. Know-how wird via Studienreisenberichte oder Events ausgetauscht. «Zudem kommt es oft vor, dass man sich Kunden auf Termin gegenseitig zuspielt. Wenn man eine etwas kleinere und übersichtlichere Struktur hat, so wie wir, weiss man oft, in welchem Büro die Experten sitzen», sagt Head of Retailing Rolf Gerber. Die Gefahr, dass man im Hinblick auf den eigenen Umsatz die Kunden nicht weitergeben wolle, sei natürlich da: «Das ist menschlich. Aber wir appellieren an ein übergeordnetes Denken von Mitarbeitern und Filialleitern.»

Auch Knecht steht vor einer Neuerung: «Zurzeit sind wir in der Entwicklungsphase unseres neuen Internetauftritts, der im Frühling bis Sommer 2012 realisiert wird. Dort werden alle Mitarbeiter aus dem TO und Retailing mit ihrem Spezialwissen aufgeschaltet sein», erklärt Gerber. Die Entscheide, wer als Experte für welche Destination gelte, sei eine grosse Herausforderung, die nicht einfach eine Kriterienschablone, sondern auch gesunden Menschenverstand erfordere.

Auch bei Globetrotter kennt man sich untereinander, sodass viele Mitarbeiter wissen, in welcher Filiale Destinationsexperten sitzen. «Ansonsten fragt man mit einem internen Mail nach», sagt Sprecherin Sandra Studer, «zudem pochen wir darauf, dass in jeder Filiale mindestens ein Spezialist für jeden Kontinent arbeitet.» Dass man einen Kunden nicht weitervermitteln will, sieht Studer nicht als Problem: «Wir haben ein System, damit man in einem solchen Fall nicht benachteiligt wird. Zudem ist ein Mitarbeiter, der einen Kunden weitervermittelt, meist Spezialist für ein anderes Land und erhält so wieder Kunden zugespielt.»

Stefan Jäggi