Narrenfreiheit hat ihre Grenzen (Ausgabe 2010-36)

Urs Hirt über das Verhältnis Reisebüros-Airlines
Das Fass ist voll, den Reisebüros ist der Kragen geplatzt. Zu oft wurden sie in den letzten Jahren von den Fluggesellschaften gepiesackt. Mit der stets ins Feld geführten Partnerschaft scheint es vorbei zu sein.

Erstmals sichtbare Risse hatte die Zusammen-arbeit mit dem Aufkommen des Internetvertriebs bekommen. Dann ging es Schlag auf Schlag: Vor gut fünf Jahren die Einführung der «Nullprozent»-Kommissionierung, gefolgt von der Aufkündigung des Code of Conduct durch das B.A.R. (Board of Airline Representatives). Oder die Überwälzung von GDS-Kosten. Nicht zu vergessen die kostenlose Mehrarbeit aufgrund der Auswirkungen des Vulkanausbruchs in Island und das in diesem Zusammenhang bedingt kulante Verhalten einiger Airlines oder gar der Versuch, geltendes EU-Passagierrecht zu umgehen. 

In letzter Zeit nun machen den Reisebüros immer mehr die ausufernde Tarifvielfalt und die damit verbundenen Regeln und Bedingungen – speziell im Bereich Ticketdeadline, Gepäckvorschriften oder Interlining – das Leben schwer. Die teils unprofessionelle Kommunikation seitens der Airlines, welche solche Mitteilungen von Fall zu Fall gar als rechtsverbindlich einstufen, sowie die Praxis, jeden Verstoss dagegen umgehend mit einer kaum nachvollziehbaren Forderung via ADM zu belasten, sind in den Augen der Reisebüros nun wirklich des Guten zu viel. 

Der Schweizerische Reisebüro-Verband (SRV) lässt nun anhand eines Fallbeispiels juristisch abklären, wie rechtsverbindlich gewisse Praktiken der Airlines sind. Die Expertise soll zeigen, was sich Reisebüros alles gefallen lassen müssen und was nicht. Sie soll bei den Fluggesellschaften Druck aufsetzen, ihr Geschäftsgebahren zu überdenken. Dass es so weit gekommen ist, haben sich die Airlines selbst zuzuschreiben. Sie haben im Umgang mit ihren wichtigsten Vertriebspartnern den Bogen überspannt. 

Dass im Verhältnis Reisebüros-Airlines vor allem auch der Homecarrier am Pranger steht, kann bei dessen Marktanteil nicht überraschen. Sollten die Reisebüros als letzten Ausweg die bereits schon einmal geäusserte Drohung wahrmachen und den Ticket-Verkauf für einige Zeit boykottieren bzw. einstellen – das Chaos bei den Fluggesellschaften wäre vorprogrammiert. So gesehen überrascht die Art und Weise, wie die Airlines mit ihren besten Verkäufern umgehen noch mehr. Auch Narrenfreiheit hat ihre Grenzen.