Neue Franken-Stärke und die Reisebranche (Ausgabe 2015-04)

Euro-Wirbel mit kritischen Folgen

Die Franken-Aufwertung als Folge der Freigabe des Mindest-Eurokurses beflügle die Auslandsreisen, so erste Reaktionen. Was aus Kundensicht (und je nach weiterem Kursverlauf) logisch erscheint, ist für die Reisebranche aber eine Herausforderung. Denn die Erwartung, dass sich Ferien nun analog zur Euro-Entwicklung verbilligen, kann aktuell nur teilweise erfüllt werden. Bei der dynamischen Produktion mit Anbindung an tagesaktuelle Preise ist dies zwar weiterhin im gegebenen Rahmen möglich. Nicht aber bei der «klassischen» Produktion, wo die Leistungen wie bei einer «Lagerhaltung» bereits eingekauft wurden. Hier reagieren die Veranstalter nun mit prozentualen Rabatten oder Boni.

Dieses Vorgehen ist kritisch: Solche «Lagereinkäufe», vor allem noch im Badeferien-Volumengeschäft Usanz, werden zu ausgehandelten Saison-Preisen getätigt. Das dafür notwendige Euro-Volumen wird zur Absicherung der Katalogpreise oft «gehedged», das heisst vorgängig zu einem fixen Wechselkurs eingekauft. Dieser liegt nun natürlich höher als der aktuelle Tageskurs – bei Nachlässen drohen den Veranstaltern Verluste. Hier wird nun wohl hektisch nachverhandelt. Kommt hinzu, dass der Einkauf von Leistungen in Euro zwar ein tragender Posten, nicht aber die ganze Rechnung ist. Die meisten Flugleistungen und sämtliche 

Betriebskosten wie Personalaufwände, Miete etc. fallen unverändert in Franken an. Eine 1:1-Reduktion der Reisepreise analog der Währungsentwicklung, so wie jetzt erwartet, ist auch deshalb unrealistisch.

Die andere Seite betrifft die Nachfrage: Niemand kann momentan mit Bestimmtheit sagen, welche Folgen nun gesamtwirtschaftlich anstehen; man muss aber eher von einer gewissen Abkühlung und mittelfristig sinkenden Löhnen ausgehen. Das heisst: Der Reisebranche wird den wegen tieferer Durchschnittspreise geschmälerten Umsatz kaum durch entsprechend mehr Reiseverkäufe ausgleichen können. 

Vor allem aber: Nun wird wohl erneut ein Kundenverhalten an Gewicht zulegen, das bereits 2009/10 für Hektik sorgte: Die vorgefasste Meinung, am günstigsten sei eh der direkte Kauf im Euro-Raum, dürfte dem Cross-Border-Geschäft neuen Auftrieb verleihen. Diesem Trend möglichst rasch und entschieden entgegenzuwirken, ist derzeit wohl die grösste Challenge für die Veranstalter und grenznahen Reisebüros.

Beat Eichenberger