Neue Tarifstrukturen im europäischen Flugverkehr (Ausgabe 2015-11)

Die Transparenz verabschiedet sich

Kennen Sie die Werbung der Versicherung Sympany, in der ein Kunde bei der Kaffeebestellung kläglich scheitert, weil er zu viele Auswahlmöglichkeiten hat? «Wir finden, das Leben sollte wieder einfacher werden», lautet dort der Slogan, und viele Airline-Kunden und Reisebüros werden sich dies in nächster Zeit auch wünschen. Immer öfter wählt man nicht mehr nur zwischen Eco, Business und First, sondern auch zwischen Premium Economy, Light Economy, Classic Economy, Flex Economy… 

Die Menge an Tarifen steht dabei symptomatisch für den verzweifelten Versuch der Legacy Carriers, in Europa den Spagat zwischen Qualitätsairline und Billiganbieter zu schaffen. Man will es im Kampf gegen Easyjet und Co. dem städtereisenden Backpacker wie dem anspruchsvollen Geschäftsreisenden recht machen und muss daher für jeden Reisetypen einen eigenen Tarif entwerfen. 

Wie es scheint, sind der Kreativität der Airlines dabei keine Grenzen gesetzt. Und natürlich benennt jede Fluggesellschaft ihre Tarife anders und inkludiert auch andere Leistungen. Wurden die Tarife in den letzten Jahren «unbundled», auf gut Deutsch auseinandergerissen, werden sie nun wieder in kleinere Pakete zusammengefasst – jedoch ohne Standard und ohne Vergleichsmöglichkeit.

Das stört den Kunden nicht, solange er sich auf der Website einer einzigen Airline befindet. Dort wird er durch den Buchungsprozess gelotst, die Produkte werden anschaulich erklärt, und wenn er einen Tarif ohne Gepäck wählt, wird er im nächsten Schritt gefragt, ob er kostenpflichtiges Gepäck dazubuchen will. Sobald er aber mehrere Airlines miteinander vergleichen will, verliert er die Übersicht.  

Den Airlines kann das recht sein. Sie wollen im vernichtenden Preiskampf gar nicht verglichen werden, sondern die Fülle und Varianten ihrer Produkte präsentieren. Diejenigen, die sich Transparenz und Vergleichsservice auf die Fahne geschrieben haben – also GDS, Reisebüros oder Webportale –, stehen hingegen vor einer grossen Herausforderung. Gerade für die Reisebüros ist die Sache heikel: Welchen Tarif offeriere ich, damit ich einerseits konkurrenzfähig bin und andererseits der Kunde trotzdem genügend Service erhält? 

Eigentlich wäre es auch eine Chance für die Reisebüros, denn die Kunden werden sich im Web nun umso weniger zurechtfinden und professionelle Beratung suchen. Doch solange die Retailer an einem Flug kaum etwas verdienen können und nur Aufwand haben, nützt ihnen das nicht viel.

Stefan Jäggi