Pragmatismus ist angesagt (Ausgabe 2010-04)

Sara Marty zur spanischen Tourismusindustrie

Die Fachmesse Fitur in Madrid ist gerade für internationale Besucher
eine ideale Gelegenheit, um den Puls der spanischen Tourismusindustrie
zu fühlen. Auffällig dieses Jahr: Trotz weniger Ausstellern, teilweise
kleineren Budgets und der schmerzhaften Erinnerung an halbleere Strände
im Sommer war die Stimmung an der Fitur 2010 gelöst, ja positiv.

Eine Art gesunder Pragmatismus scheint sich breitgemacht zu haben.
Standen die Spanier vor einem Jahr noch wie paralysiert vor der
unberechenbaren Fratze der Wirtschaftskrise, finden sie nun zur
Normalität zurück. Eine Mehrheit der Fitur-Aussteller und -Besucher war
sich einig darin, dass es kaum mehr schlimmer kommen kann. Nach knapp
drei Jahren der Krise – in Spanien begann die Wirtschaft bereits Anfang
2007 zu stottern, als die Immobilienblase platzte – hat man allerdings
akzeptiert, dass es weder besonders schnell noch besonders steil wieder
aufwärts gehen wird. Was für die Wirtschaft gilt, hat auch für die
Tourismusindustrie Gültigkeit.

Dabei ist der Druck, welcher auf den Tourismusverantwortlichen der
autonomen Gemeinschaften lastet, enorm. Denn was anfänglich nur als
Schreckgespenst ohne Konturen herumgeisterte, ist nun harte Realität
geworden: Rückläufige Touristenzahlen bedeutet weniger Beschäftigte in
den Ferienorten, sprich Arbeitslose. In einem Land, dessen
Arbeitslosenquote zurzeit bedrohlich an der 20-Prozent-Marke kratzt
(Dezember 2009: 19,3 Prozent), ist das Grund zu mehr als nur Sorge.

Nachdem der erste Schrecken abgeklungen ist, wird nun nach vorne
geschaut und gezielt gehandelt, im Wissen, dass alte Erfolge nicht so
bald wieder erreicht werden. Selbstreflexion und -kritik gehören dazu.
So machte Miguel Ferrer Viver, neuer Tourismusminister der Balearen,
klar, dass für ihn fundamentale strukturelle Reformen absolute
Priorität haben.
Konkret spricht er die Koordination zwischen privatem und öffentlichem
Sektor an sowie die Verschlankung der administrativen Strukturen.

Pragmatismus dürfen auch die Schweizer Spanien-Veranstalter zeigen.
Zwar können sie volumenmässig nicht die gleiche Rolle spielen wie ihre
deutschen oder britischen Kollegen, doch haben sie verhältnismässig
stabile und teilweise bereits wieder anziehende Zahlen sowie eine sehr
kaufkräftige Kundschaft vorzuweisen. Und das ist in Spanien wieder viel
wert.