Herr Bättig, wie präsentiert sich fast vier Monate nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses die aktuelle Situation für Ihr Reisebüro in der Grenzstadt Schaffhausen?
Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals in so einer schwierigen Situation waren. Wir hatten noch nie eine so tiefe Kundenfrequenz wie beispielsweise im April. In der Euro-Thematik lief viel über die Medien und die Zeitungen haben die Konsumenten geradezu animiert, auf der anderen Seite der Grenze zum Einkaufen oder Buchen zu fahren. Die Medienarbeit zu Gunsten des Einkaufens im Ausland war meiner Meinung nach noch nie so krass wie in den letzten Monaten.
Was ist die Folge davon?
Die Konsumenten kommen schon gar nicht mehr ins Geschäft. Es hat sich tief im Kopf festgesetzt, dass in Deutschland alles günstiger zu haben ist, egal ob es Lebensmittel, Kosmetikartikel oder eben Reisen sind.
Welche Gegenmassnahmen haben Sie ergriffen?
Wir haben Kampagnen gestartet, Banderolen aufgehängt, Newsletter verschickt und vieles mehr. Immer mit dem Ziel, den Kunden zu vermitteln, dass sie dank dem günstigen Euro länger oder des Öfte-ren in die Ferien gehen können als vorher. Bei uns kann man zudem die meisten seriösen deutschen Anbieter in Euro-Preisen buchen und auch in Euro bezahlen. Das Resultat war eher ernüchternd.
Und wie steht es um die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Reiseveranstalter?
Die meisten Schweizer Anbieter, speziell TUI Suisse und Kuoni, haben schnell reagiert und bieten heute teilweise attraktivere Preise als in Deutschland, sind also durchaus wettbewerbsfähig. Differenzen gab es immer, man muss Äpfel mit Äpfeln vergleichen, nicht mit Birnen. Es liegt auf der Hand, dass ein Arrangement in den Oktober-Schulferien bei einem Schweizer Anbieter teurer ist als in Deutschland, wo diese Zeit bereits in die Nebensaison fällt. Grundsätzlich war es jedoch noch nie so attraktiv, seine Ferien in der Schweiz zu buchen. Doch leider weiss dies kaum jemand. Es nützt eben nichts, nur die Preise anzupassen, aber dies nicht gross zu kommunizieren. Hier hätte meiner Meinung nach eine Persönlichkeit hinstehen und das klar kommunizieren müssen, beispielweise im «10 vor 10» oder in einer Sonntagszeitung. Meiner Meinung nach wäre das allenfalls eine Aufgabe des Verbandes gewesen.
Haben Sie vermehrt Kunden, die in Euro bezahlen wollen?
Ja, definitiv. Vorher kam das selten vor. Der Kunde kann entscheiden, ob er in Euro oder Schweizer Franken bezahlen möchte. Umrechnungen erfolgen zum Tagespreis. Viele Veranstalter kann ich auch in Euro bezahlen. Ich habe Euro zu einem sehr guten, tiefen Preis eingekauft. Trotzdem kann ich kaum eine Margenverbesserung erzielen, da müsste der Euro markant an Wert gewinnen.
Was wird die nahe Zukunft bringen?
Im Gegensatz zu 2011 hat sich die Euro-Geschichte bis jetzt nicht erholt. Mit der Fast-Parität von Euro und Franken haben die Einkäufe in Deutschland noch zugenommen. Reisebüros dort freuen sich über markante Zuwächse, egal ob die Büros gut sind oder nicht. Es zählt im Moment nur der Standortvorteil. Die Kunden waren noch nie so preissensibel und stellen immer und immer wieder Vergleiche an. Der Umrechnungskurs ist unter dem Strich nicht entscheidend, sondern die Werbung und Kommunikation, dass wir in der Schweiz mindestens so attraktive Angebote machen können. Ein stärkerer Euro hätte aber sicher eine psychologisch positive Wirkung für unsere Branche.
UH