Viel Kritik hagelte es in unserer Reisebüro-Umfrage zum Thema Tour Operators und Fachwissen (siehe S. 1). Durch das schwindende Expertentum auf der anderen Seite fühlen sich einige Retailer in die Rolle als Mikro-TO hineingedrängt.
Heinz Schachtler (Travellino, Solothurn) gefällt es zum Beispiel gar nicht, dass er keine individualisierten Dokumentationen mehr für seine Kunden bekommt und diese Arbeit teilweise selbst übernehmen muss. Online sei dieser Service einfach nicht befriedigend. Auch Reto Kuratli (Bernhard Reisen, Goldach SG) erzählt, dass die Agenten komplexe Dossiers immer mehr in Eigenregie und als Mikro-TO abwickeln müssten: «Das ist im Endeffekt für den Kunden punkto Sicherheit auf der Reise nicht unbedingt die beste Lösung.»
Ähnlich empfindet Petra Hubler-Schäfer (El-Travel, Biberist): «Ausserdem fehlen Koffer-Etiketten, Sitzplatzreservationen gehen nur noch via Internet; es gibt keine Reiseleitung vor Ort und den Reiseführer muss der Kunde selber bestellen.» Bei regulären Buchungen findet die Fachfrau das «nicht akzeptierbar». Aber sie möchte differenzieren: Beim Städteflug seien die Dokumente von Railtour und Kontiki «absolut top». Bei Badeferien in Europa hingegen geizten alle TOs.
Auch Martin Reber (Schär Reisen, Bern) muss sich zum Teil mühsam selber schlaumachen und bucht deshalb oftmals direkt. Die Marge sei ohnehin besser und die Haftung werde vom Mikro-Reiseveranstalter als «quantité négligeable» taxiert. Reber beklagt zudem den allgemeinen Preiszerfall, durch welchen man sich mehr um ständig wechselnde Preise und Verfügbarkeiten im Flugsektor kümmern müsse, statt sich dem Kerngeschäft zu widmen.
Gewinner des Qualitätsverlusts bei den grossen TOs sind nach Kuratlis Meinung Hotelportale und Mietwagenbroker. Er hofft aber auf bestehende und «hoffentlich auch neu aufkommende kleine Spezialisten, die uns wieder mit Fachkompetenz unterstützen».
SG/JCR