Retailer kritisieren Vorpreschen der Veranstalter bezüglich Kulanz (Ausgabe 2010-20)

Die kulante Bearbeitung von Rückerstattungen bedeutet Mehrarbeit ohne Vergütung und gleichzeitig Verdienstausfall.

Für die Reisebüros bedeuten die nicht abziehen wollenden Aschewolken
über Europa vor allem eines: Mehrarbeit. Wenn Kunden Probleme oder
Fragen haben, muss ihnen geholfen werden, egal an welchem Wochentag
oder zu welcher Uhrzeit. Wie viele vulkanbedingte Überstunden in den
Filialen der drei grossen Tour Operators Hotelplan Suisse, Kuoni und
TUI Suisse bislang geleistet wurden, können oder wollen die jeweiligen
Vertriebsleiter nicht sagen.

Ihre Reisebüro-Angestellten können die Überzeit kompensieren – bei TUI
zum Beispiel erfolgt die Kompensation für Werk- und Samstage im
Verhältnis 1:1 und für Sonntage im Verhältnis 1:1,5, wie Rainer
Schenkel erklärt.

Ähnlich bei Kuoni. «Unsere Mitarbeiter haben hart gearbeitet und können
diese Zeit gemäss den üblichen Regelungen kompensieren», bestätigt
Gianni Moccetti. Eine Auszahlung sei allerdings nicht möglich.

Eine solche ist auch bei Hotelplan nicht vorgesehen und nur in
Ausnahmefällen möglich, wie Daniel Reinhart sagt: «Wie üblich sollten
bis Ende Jahr alle Überstunden kompensiert sein.» Er will
vulkanbedingte Mehrarbeit auch in Zukunft pragmatisch abwickeln. Von
flächendeckenden verlängerten Öffnungszeiten hält er nichts. «Ich
erwarte von meinen Filialleitern, dass sie alles für ihre Kunden tun,
was möglich ist, doch zwinge ich sie nicht, die Filiale offen zu
halten.» Er weist zudem darauf hin, dass seine Mitarbeitenden den
Kunden auch problemlos und kompetent von zu Hause aus helfen können.

Bei kleinen Retailbüros wird die Kompensation flexibel gehandhabt, oder
wie Frieda Bässler (Metro Reisen, Luzern) sagt: «Wenn’s ruhig wird im
Sommer, macht halt jemand eine längere Mittagspause oder geht am
Nachmittag früher.» René Bättig (RMR, Schaffhausen) hat sich zudem
entschieden, den sonntäglichen Einsatz zu vergüten: «Die Sonntagsarbeit
wurde bereits bezahlt.»

Doch ist die Krux eine doppelte: Trotz Mehrarbeit wurde und wird
derzeit weniger Umsatz generiert. Das liegt einerseits am – zumindest
teilweise wohl ebenfalls vulkanbedingten – zögerlichen Eingang an
Neubuchungen, andererseits aber auch an den arbeitsintensiven
Rückerstattungen.

Glimpflich davon kam Christian Cabane (Cat Travel, Basel): «Wie gross
die Einbusse an nicht getätigten Neubuchungen war, ist sehr schwierig
zu quantifizieren. Vermutlich hatten wir weniger Probleme mit
verpassten Neubuchungen als andere Büros, weil bei uns eher langfristig
gebucht wird.» Auch musste Cat Travel verhältnismässig wenig
rückerstatten, «zum Glück, denn das ist nicht nur Aufwand, sondern auch
Verdienstausfall.» René Bättig hat weniger Glück: «Die Einbusse an
nicht getätigten Neubuchungen war relativ gross. Ich schätze, dass wir
15–20% an Volumen verloren haben. Zudem mussten wir relativ viele
Rückerstattungen tätigen, was natürlich nicht nur einen
Verdienstausfall, sondern viel Arbeit bedeutet.» So tönt es auch bei
Frieda Bässler: «Minusertrag und verdient habe ich nichts. Der April
war ein katastrophaler Monat.»

Für die Retailer sind die medienwirksamen Kulanzversprechen der grossen
Tour Operators schmerzhaft. «Wenn wir mit mehr Rückerstattungen
konfrontiert würden, müssten wir uns überlegen, auf dem Passus der
höheren Gewalt zu bestehen, d.h. das Risiko auf den Kunden abzuwälzen»,
so Cabane. Für ihn ist klar: «Das Vorpreschen einiger Veranstalter war
unüberlegt schnell.» Ähnlich beurteilt das auch Rebecca Peters
(Chrisway, St.Gallen): «Klar können wir uns profilieren, bloss: Wann
können wir davon profitieren? Das Erinnerungsvermögen der Kunden ist
bekanntlich kurz.»

Sara Marty/Chris Probst