«Rückpreisiger Markt drückt auf Yield» (Ausgabe 2009-38)

Mathias Pirkl, Direktor Lufthansa Schweiz/Liechtenstein, äussert sich zum laufenden Geschäft und zu aktuellen Themen.

Herr Pirkl, wie positioniert sich Lufthansa als Mutter des Homecarriers Swiss im Markt Schweiz?
An der Positionierung hat sich nichts verändert. Wir sind seit fast
vier Jahren mit der Swiss zusammen und haben im ersten Jahr mit «move
under one roof» viel getan, unsere Verkaufsorganisation auf Zürich
konzentriert und Genf redimensioniert. Wir haben beide unsere Rolle im
Markt Schweiz definiert und leben sie auch. Swiss als Homecarrier gibt
hier den Takt vor, wir positionieren uns so, dass wir die anderen
Mitbewerber möglichst auf Distanz halten. Wir haben ein «One
stop»-Produkt wie BA oder Air France, Swiss bietet ein Nonstop-Produkt.
Wir haben viele Synergien im Backoffice und im Sales- Support
geschaffen, so können wir im Kontakt mit den Vertriebspartnern auf die
gleichen Daten zurückgreifen.

Sie sprechen von einem «One
stop»-Produkt, also Hub-Verkehr. Es gibt aber auch noch den
Nachbarschaftsverkehr Schweiz–Deutschland.

Im Nachbarschaftsverkehr bieten wir dem Kunden ein besseres Produkt, da
wir mit der Swiss die Flugpläne abgestimmt haben. Dann haben wir
beidseitig geschaut, welche Ziele wer mit welchem Fluggerät bedienen
soll, um nicht zuletzt den Low Cost Carriern zu begegnen. Ein gutes
Beispiel ist Zürich–Berlin, da fliegt die Swiss seit Februar alle
Verbindungen, wir haben uns zurückgezogen, weil wir hier ein weniger
konkurrenzfähiges Fluggerät hatten. Alle Flüge zwischen der Schweiz und
Deutschland werden im Codeshare LX/LH durchgeführt. Im
Nachbarschaftsverkehr haben wir uns klar im Sinne der Kunden abgestimmt.

Wie ist das Verhältnis Nachbarschafts- zu Transitverkehr via die LH-Hubs, das LH in der Schweiz generiert?
82 Prozent aller Passagiere, die in Zürich, Basel, Bern oder Genf in
eine Lufthansa-Maschine steigen, sind Transitpassagiere innerhalb
Deutschlands oder in die weite Welt.



Wie läuft es der Lufthansa Schweiz im laufenden Jahr?

Jubeln können wir nicht, wir sind nicht auf Vorjahr, aber im Vergleich
zu meinen Kollegen in anderen europäischen Ländern stehen wir gut da.
Obwohl wir die Möglichkeit nutzen, die Kapazitäten tagesaktuell
anzupassen, haben wir in der Schweiz in den ersten sechs Monaten des
laufenden Jahres einen leichten Rückgang an Passagieren sowie beim
Umsatz zu verzeichnen. Die Gründe liegen im vermehrten Wechsel von
Business zu Economy Class und darin, dass wir mehr Plätze in den tiefen
Buchungsklassen mit günstigen Preisen freigeschaltet haben. Hinzu
kommt, dass wegen der besseren Verfügbarkeiten viele Kunden ihre Meilen
einlösen. Trotzdem gewinnen wir leicht Marktanteile in der Schweiz. Mit
der Entwicklung der Yields sind wir nicht zufrieden, wir haben in der
Schweiz einen sehr rückpreisigen Markt.

Gibt es Unterschiede zwischen Leisure und Commercial?
Bei den Commercials im Europa-Verkehr erkennen wir den Trend zum «best
buy», auf der Langstrecke wird nach wie vor Business Class geflogen,
auch wenn Firmen teilweise ihre Travel Policy angepasst haben. Im
Leisure- Bereich wird immer kurzfristiger gebucht. Aufgrund der guten
Steuerung sehen wir hier vor allem eine Zunahme bei Buchungen für die
USA und Asien. Die Frage ist zu welchem Preis.

Hat die Wirtschaftskrise Auswirkungen auf die Arbeitsprozesse bei Lufthansa Schweiz?
Wir haben gute Prognosesysteme und schon im Oktober 2008 dunkle Wolken
kommen sehen. Mit unserem «smart cost management» haben wir frühzeitig
die Weichen gestellt. So gibt es bereits seit letztem Jahr einen
Einstellungsstopp. Durch den Geschäftsrückgang im Bankenbereich haben
wir uns Ende März 2009 aus dem gemeinsamen Büro mit Swiss am Zürcher
Paradeplatz zurückgezogen. Dann nutzen die Mitarbeitenden die
Möglichkeit von freiwilligen unbezahlten Ferien, die Überstunden
mussten abgebaut werden und natürliche Fluktuation wurde nicht ersetzt.
Heute habe ich im von mir verantworteten Bereich Passage Schweiz 29
Mitarbeitende.

Wo setzen Sie die Schwerpunkte in der Marktbearbeitung?
Die Neustrukturierung der Verkaufsprozesse vor drei Jahren mit den zwei
neuen Positionen New Business Account Manager und Inside Sales Account
Manager kommt uns nun zugute. Damit legen wir noch mehr Augenmerk auf
den Kanal B2B . Als Premium Carrier konzentrieren wir uns primär auf
die Geschäftskunden. In diesem Bereich werden auch grosse Investitionen
getätigt, so etwa in den nächsten vier Jahren 150 Mio. Euro alleine in
Lounges. Im B2C-Bereich sind wir über Internet präsent. Die Betreuung
von Firmenkunden fällt in den Bereich B2B, jene der TOs, Brokers und
Reisebüros in den Bereich B2C.



Wie werden sich die Ticketpreise und die Nachfrage entwickeln?

Im Europa-Verkehr geht es Richtung «best buy» und Rückgang des Yield,
da weniger Business geflogen wird. Sollten wir nun die Talsohle
erreicht haben, dauert es mindestens noch ein Jahr, bis die Flugpreise
wieder anziehen. Das Niveau von vorher werden wir aber nicht wieder
erreichen. Die Luftfahrt ist – ausser in diesem Jahr – ein
Wachstumsmarkt mit jährlichen Steigerungen von vier bis fünf Prozent,
das dürfte mittelfristig auch neue Business-Class-Kunden generieren.
Wir glauben an dieses Wachstum, das zeigen unsere Flugzeugbestellungen
für 139 Maschinen über die nächsten fünf bis sechs Jahre. Ein Teil
davon ersetzt bestehende Maschinen, ein anderer Teil ergänzt die
Flotte, ist also auf Wachstum ausgerichtet.

Wie wichtig ist der Vertrieb via die Reisebranche?
Die Reisebranche ist nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit der
wichtigste Vertriebskanal der Lufthansa. Der Online-Buchungsanteil über
Lufthansa.com liegt weltweit bei 23 Prozent, inklusive der
Online-Reisebüros wie Ebookers bei 28 Prozent. In der Schweiz liegen
diese Anteile tiefer.
Der Vertrieb via Reisebranche ist uns weiterhin ausserordentlich
wichtig. Ich weiss, dass es in dieser Beziehung ab und zu mal etwas
holpert. Wir hatten im letzten Jahr mit dem Vorzugspreismodell ein
Thema, wo man unterschiedlicher Ansicht war. Nichtsdestotrotz, so wie
ein Reisebüro seine Kostenstruktur optimieren muss, so müssen wir als
Airline dies auch tun. Letztlich ist wichtig, dass wir als Airline gar
nicht diese Vielfalt anbieten können, wie das die Reisebüros können.
Die Chance der Reisebüros liegt bei den kompletteren bzw.
massgeschneiderten Produktangeboten. Mit Customer- Care- und
Agent-Line-Angeboten wollen wir die Reisebüros unterstützen.
Der Vertrieb ist unabhängiger geworden. Früher lebte man von den
Kommissionen der Airlines, heute von der Verrechnung der eigenen
Dienstleistung. Dabei spielt die Qualität der angebotenen Produkte und
der eigenen Dienstleistung für den Erfolg des Reisebüros eine grosse
Rolle.

Wird sich die AUA-Übernahme durch Lufthansa in der Schweiz auswirken?
Diese Frage müsste man Swiss stellen, sie hat den Lead hier. AUA ist ja
auch an der Obstgartenstrasse und wir sitzen schon heute zu dritt
zusammen. Letztlich sind wir, die Swiss und AUA  unabhängige
Airlines, weitere Synergien gibt es aber sicher noch.

Urs Hirt